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„Man sieht sich auf Wolke 7“

■ TV-Moderator Hajo Friedrichs ist tot

So einer konnte natürlich nicht für sich alleine sterben, denn H. J. Friedrichs war nun mal eine öffentliche Person. Die meisten Deutschen hielten ihn für einen, der neben ihnen oder vor ihnen saß, und weil sie das glaubten, glaubten sie ihm. So einer konnte natürlich nicht allein sterben, und insofern war der Spiegel dieser Woche für ihn die richtige Adresse, um öffentlich Abschied zu nehmen.

Testament? Ja, und ein spannendes dazu. Der 68jährige hat sogar in seinem letzten Interview nicht die angloamerikanische Journalistentugend vergessen, um keinen Preis zu langweilen, und er hat sich daran gehalten, auch angesichts des Todes. Er hat nicht gejammert, er hat es auch am Ende abgelehnt, seine Seele zu öffnen. Er blieb sich treu. Die Schlußfrage der Spiegel-Reporter, was ihm denn noch fehle in seinen Erfahrungen, mündet in der pointensicheren Antwort, beim Golf nicht mehr das Handicap 36 erreicht zu haben.

Beim Tod einer öffentlichen Person werden viele Krokodilstränen geweint. Wahrscheinlich werden sogar solche Journalistendarsteller wie Henning Röhl (MDR) oder Edmund Gruber erzählen, daß sie eigentlich in tiefster Seele den lakonisch-kühlen Westfalen bewundert haben, dem sie einst mit ihrem Parteibuch das Tagesthemen-Leben schwermachten. Wahrscheinlich wird es sogar Politiker geben, die ihn posthum an die Brust drücken, obwohl er sich mit ihnen nie gemein gemacht hat. Aber was soll's, auf Wolke sieben kann er jetzt darüber müde lächeln. Wenn Journalisten sterben, ist das allenfalls dann eine Nachricht, wenn sie a) berühmt sind oder b) von einer verirrten Kugel getroffen werden. Friedrichs war schon berühmt, als noch nicht jeder mit runtergelassenen Hosen auf Sendung gehen durfte. Er war berühmt, als bei den Nachrichten noch nicht die Anzahl reitender Leichen entscheidend war, sondern die Nachricht, die wahre, nicht die Ware.

Die Mechanismen der Vermarktung – Silberhaar, Telestar et cetera – hat er spöttisch benutzt, weil er sie eh nicht hätte verhindern können. Er hat seine Message dadurch besser verkauft, aber nicht sich. Er hat keine Betroffenheit geheuchelt, sondern gesagt, was ist und was war. Wie es sich geziemt. Er war die Verkörperung dessen, was das öffentlich-rechtliche System kenntlich machte, als man noch nicht für Selbstverständlichkeiten kämpfen mußte: Journalismus heißt kein Kotau vorm Fürstenthron, heißt Stimme der Sprachlosen, heißt Unbestechlichkeit.

Das hätte er gestrichen, weil es ihm zu pathetisch geklungen hätte, aber nun kann er ja nicht mehr verhindern, daß ihm Sympathien dorthin nachgesandt werden, wo er sich befindet. Vielleicht wartet ein anderer von den großen TV- Machern, Dieter Gütt, schon mit den Skatkarten? Michael Jürgs

Nachruf von Friedrich Küppersbusch Seite 10

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