Liebesgrüße aus Madrid

■ Fotografien spanischer Künstler der movida in der Villa Ichon

Seit spätestens Ende der achtziger Jahre hatte sich in Spanien und im Ausland herumgesprochen, daß in Madrid etwas in Bewegung ist, in movida. Doch da war eigentlich schon alles vorbei. Übriggeblieben waren unzählige Bars und Discos, in denen sich die Vergnügungssüchtigen austobten, manche hatten es zu einer Galerie gebracht. Drogen gehörten dazu: Movida bezeichnete ursprünglich „etwas zum Törnen besorgen“. Viele der jungen Wilden starben an den beliebten Drogencocktails oder einer Überdosis Heroin.

Von Anfang an war die Fotografie das wichtigste künstlerische Ausdrucksmittel der Movidistas. Zehn Jahre später hat das spanische Kultusministerium eine Ausstellung mit deren Arbeiten zusammengestellt. Nach Paris und München ist die Fotoschau ab morgen in der Bremer Villa Ichon zu sehen.

Die KünstlerInnen, FilmemacherInnen, DesignerInnen und MusikerInnen der Movida waren kreativ und wollten schockieren. Knapp 40 Jahre war Spanien in der Diktatur erstarrt: Opus Dei und die Ultrarechten hatten jede freie Geistesentwicklung im Keim erstickt. Nach der Diktatur platzte daher bei vielen KünstlerInnen der Knoten. So hielten sich die Movidistas ab 1975 nicht lange bei der Moderne oder Postmoderne auf, sprengten gleich mit ganz eigenen und eigenwilligen Mitteln bislang Bekanntes und Aktzeptiertes. Es entstand eine ungewöhnliche Mischung der verschiedenen Subkulturrichtungen: Rockerin Alaska belebte den in Nordeuropa totgeglaubten Hardrock, Filmemacher Almodóvar entdeckte den Nierentisch und die Klischees der spanischen Regenbogenpresse für seine filmischen Liebesbeweise an Madrid, erfand den Transvestiten Patty Diphusa als typische Vertreterin der Movida und verfaßte Chroniken in der Szenezeitung La Luna.

Patty Diphusa meinte Anfang der 80er, daß in Madrid eigentlich nur etwas passiere, um fotografiert zu werden. Und zwar auf ganz unterschiedliche Weise: Es entstanden die surrealen, handcolorierten Fotos von Ouka Lele oder Luis Perez Minguez' grelle Nachtszenen, und die realitätsnahen Straßenbilder von Rockern, Mods, oder Punks. Der Lehrer und Fanzine- Herausgeber Miguel Trillo fotografierte diese Sub-Szene. Auf schwarz-weiß Fotos lichtete er die jungen Madrider in den Morgenstunden ab: Cool, unnahbar, auf einem fernen Trip. Ähnlich Rockabilly Alberto García Alix. Er erlebte ihre großen, kreativen Zeiten, aber auch das langsame Sterben der Bewegung samt der Menschen und fotografierte beides. Mit dem Modell Elena Mar arbeitete er über fünf Jahre lang zusammen. Anfangs lasziv und verrucht, auf Brust und Bauch tätowiert, nach einigen Jahren hochschwanger, 1992 dann in Trauer: Sie fand ihren Freund tot im Bett, die letzte Spritze steckte noch im Arm. Ulrike Fokken

Eröffnung morgen um 20 Uhr, Villa Ichon, Goetheplatz 4