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Liberale Streitkultur

■ Weil die FDP zur Vierprozentpartei zu werden droht, halten sich die Linksliberalen mit ihrer Kritik an Rexrodt zurück

Die ehemalige Berliner FDP- Vorsitzende Carola von Braun ist sich sicher. Der Landesparteitag an Freitag und Samstag dieser Woche wird „hart, sehr hart“. Der Ausgang des Flügelkampfes zwischen Links- und Rechtsliberalen hängt nicht zuletzt von der für heute angekündigten Entscheidung des FDP-Bundesschiedsgerichts ab.

Folgt das Gremium der Linie des Landesvorsitzenden und Bundeswirtschaftsministers Günter Rexrodt, wonach der am 14. Januar auf einem Sonderparteitag gefaßte Beschluß zur Landesliste gültig ist, wollen rechte Vertreter die juristischen Instanzen bemühen. „Wir sind am nächsten Tag beim Landgericht“, kündigt der rechte Bezirksvorsitzende von Tempelhof, Klaus Gröbig, an. Gestritten wird um die Frage, ob zur Ermittlung der Mehrheit bei der letzten Abstimmung über die Landesliste die Enthaltungen mitgezählt werden durften oder nicht.

Was zunächst als parteipolitisches Kleingefecht anmutet, hat jedoch weitreichende Folgen für die FDP. Wie von Braun befürchten viele einen Rechtsrutsch, wenn zur Abgeordnetenhauswahl am 22. Oktober wie vor fünf Jahern wieder mit Bezirkslisten angetreten wird. Dann drohe eine rechte Abgeordnetenhausfraktion, für die in ihren Kreisen keiner auch nur einen Finger krumm machen würde. Die Landesliste, so die Hoffnung vieler Linksliberaler, werde den in letzter Zeit stärker gewordenen Einfluß des rechten Flügels in Grenzen halten.

Die rechten Vertreter innerhalb der FDP spielen seit Monaten mit äußerstem Geschick auf der Medienklaviatur. Übersehen wird dabei jedoch gern, daß zwischen Edel- rechten wie Ex-Generalbundesanwalt Alexander von Stahl und Bezirksfürsten wie Gröbig Welten klaffen. Diese provozieren die Landesspitze weniger durch akademische Debatten als durch provozierende Alleingänge. So stellten Tempelhof, Köpenick, Neukölln und Weißensee bereits Bezirkslisten auf, ohne den Ausgang des parteiinternen Schiedsverfahren abzuwarten.

Zu ihrem heimlichen Anchorman kürten sie kürzlich den sportpolitischen Sprecher der Abgeordnetenfraktion, Axel Hahn. Der 35jährige outete sich nicht nur als Hintermann einer Werbekampagne gegen die Länderfusion, sondern kündigte auch seine Kandidatur gegen den Landesvorsitzenden Rexrodt an. Allerdings werden ihm für den Landesparteitag in der Partei wenig Chancen eingeräumt. Es gehe darum, bekennt denn auch Tempelhofs Bezirkschef Gröbig, dem Amtsinhaber durch ein schlechtes Ergebnis „einen vor den Bug zu knallen“.

Flügelübergreifend gilt der Bundeswirtschaftsminister als schwache Spitzenkraft. Doch die Kritik an seinem Führungsstil ist angesichts der Schwierigkeiten der FDP zunehmend leiser geworden. Nicht aus Überzeugung, sondern wohl eher aus taktischen Überlegungen.

Als Signal gegen den Machtzuwachs der Nationalliberalen um Gröbig wird denn auch Rexrodts Einsatz für das Domizilprinzip verstanden, mit dem künftig eine Mitgliederverschiebung von einem Bezirksverband in den anderen verhindert werden soll. Weil der Antrag des Landesvorstandes für Zündstoff sorgen könnte, haben mehrere Delegierte vorsorglich einen weiteren, abgeschwächten Alternativvorschlag zum Domizilprinzip eingebracht. Rexrodts Position scheint unangefochten.

Selbst Carola von Braun – jeder übermäßigen Sympathie für ihren Vorgänger unverdächtig – reagiert mit Kritik äußerst zurückhaltend. „Weit und breit ist doch kein anderer in Sicht.“ Immerhin habe Rexrodt sowohl mit seinem Einsatz für die Landesliste und seiner Absage an Positionen des FPÖ-Chefs Haider „vernehmlich auf den Tisch gehauen“. Severin Weiland

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