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Ninjas „achtern Diek“

■ Famoser Auftakt der „Avanti Debutanti“-Reihe des WDR

Vorm Deich sieht das Leben ja so aus: Das Wasser kommt, dann geht es wieder, dann ist es wieder da und bald auch wieder weg. Hinterm Deich geht's ähnlich zu. Daß nichts passiert, wäre zuviel gesagt. Doch was heute passiert, ist gestern so ähnlich schon mal dagewesen und wird auch morgen nicht viel anders aussehen.

So eine Gleichförmigkeit menschlichen Seins mag ja für manche Leute was Beruhigendes haben. Doch unruhige Geister, pubertierende allemal, kriegen da schon mal den Blues. Frankie, Jonny (spricht sich „Jonny“, nicht etwa „Dschonny“) und ihre Kumpel, alle so 17, 18, um den Dreh, haben ihn gewaltig, den Blues. In ihrem ostfriesischen Nest tut sich wenig, eigentlich nichts. Tote Hose. Einmal im Jahr Schützenfest, 'ne Frittenbude, und ab und zu brettern sie mal mit Jonnys klapprigem Ford rüber ins „Queen“, die Disco im Nachbarkaff. Aber da tobt nun auch nicht gerade der Bär.

Tagsüber fährt Jonny Fische aus (wenn er Frauen anbaggert, die Friseuse oder Stewardeß werden wollen, macht er daraus in 007-Manier schon mal „brandgefährliche Gefahrguttransporte“), Frankie ist Stift in einer Kfz-Werkstatt, hat ein Auge auf das kecke Bürofräulein geworfen, aber null Chancen, weil die mit einem tumben Heini von der Feuerwehr liiert ist.

Kurzum, die fünf sind sich einig, daß was passieren muß: „Was uns fehlt, ist 'n dolles Ding, wo dann nachher alle sagen: ,Scheiße, hätten wir echt nicht gedacht.‘“ Das dolle Ding ist ein Einbruch im Spielwarengeschäft. Weil sie eigentlich nicht wissen, was sie da sollen, nehmen sie schließlich ein paar japanische Schwerter und seltsame Kampfanzüge mit. Und fortan wird eifrig trainiert. Asiatische Kampftechniken und so. Für noch größere Dinger. Aber mehr als Nachbars verdutzten Dackel mit ein paar Kampfschreien zum Schweigen bringen ist damit vorerst auch nicht drin.

Nun hat's an Teenager-Komödien ja gewiß keinen Mangel, aber Hans-Erich Viet, hinterm Deich geboren und bekennender Ostfriese, ist hier mit seinem ersten Spielfilm ein wahrlich famoses Stück Fernsehen gelungen, das alle Klischees des Genres souverän umschifft. Ein richtiger Debütant ist Viet natürlich nicht. Für seine Dokumentation „Schnaps im Wasserkessel“ gab's seinerzeit gleich einen Grimme-Bembel. Wer erinnert sich nicht an jene Oma, die sich erst endlos bitten ließ, aber dann auf ihrer Mundharmonika ein furioses „In Ostfriesland is' am besten“ runterfetzte? Diesmal gibt's keine Oma, aber Fankies Opa. Der scheint schwer gelähmt, wird von der Familie mehr oder minder klaglos gefüttert („Kannst du mal Opa weiter füttern? Ich muß weg.“) und ist offenbar stumm, bis er unvermittelt ein einziges Wort von sich gibt: „Navratilová!“ Und recht hat er.

Überhaupt lebt der Film von einem wortkargen, lakonischen Humor, wie ihn sonst nur Aki Kaurismäki auf die Leinwand bringt, gepaart mit einem untrüglichen Gespür für eine Situationskomik, die an die Teenager-Komödien von Fill Forsyth erinnert. (Der ließ in „That Sinking Feeling“ auch schon mal ein paar Jungs eine Lkw-Ladung Nirosta-Spülen klauen, mit der sie dann auch so recht nichts anzufangen wußten.)

Kurzum, Hans-Erich Viet legt mit seinem Auftakt zur „Avanti Debutanti“-Reihe des WDR ein Qualitätsniveau vor, an dem sich die folgenden sechs Nachwuchsfilme werden messen lassen müssen. Immerhin hat man die Reihe nun erstmals auf europäische Debüts erweitert. Und da ist durchaus Vielversprechendes aus England und Irland dabei. Reinhard Lüke

Hans-Erich Viet: „Frankie, Jonny und die anderen... Schattenkämpfer“, Sa., 20. 15 Uhr, West3

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