piwik no script img

Der Handel mit den Folterknechten

■ Indonesien ist das Partnerland der heute beginnenden Hannovermesse / Proteste von Menschenrechtsgruppen

Hannover (taz) – 1.000 Leute marschierten am Samstag nach Hannover, um gegen die Wahl von Indonesien als Partnerland der Hannovermesse zu protestieren. Ihrer Ansicht nach sollte die Beendigung von Folter und Unterdrückung in Indonesien absoluten Vorrang haben vor einer Ausweitung der wirtschaftlichen Kontakte. Ein Bündnis von Menschenrechtsgruppen ruft Messebesucher und Aussteller auf, gegenüber indonesischen Repräsentanten auch die andere Seite der wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte des beliebten Touristenlandes zu bennenen: politische Haft, Folter, das Verschwindenlassen von Oppositionellen und sogar staatlicher Mord durch Militär und Polizei.

Gestern abend wollte Präsident Suharto zusammen mit Helmut Kohl die Hannovermesse offiziell eröffnen. Auf der größten Industriemesse der Welt präsentieren sich 7.000 Aussteller aus 71 Ländern – 60 Prozent stammen allerdings aus Deutschland. 350.000 Besucher werden in dieser Woche erwartet, die sich die neusten Entwicklungen im Maschinen- und Kraftwerksbau, bei der Automatisierung und in der Umwelttechnolgie angucken wollen.

Die 77 indonesischen Aussteller haben außer der Vermarktung ihrer Produkte vor allem im Sinn, Investitionen aus den Industrieländern anzukurbeln. Das asiatische Land ist auf dem Weg zur „Tiger“- Nation. Offizielle Schätzungen gehen davon aus, daß die sieben Prozent Wirtschaftswachstum vom letzten Jahr auch 1995 erreicht werden. Einstweilen liegt jedoch das Pro-Kopf-Einkommen in dem mit 184 Millionen Menschen viertgrößten Land der Welt lediglich bei knapp 700 Dollar im Jahr.

Von allen EU-Ländern führt die Bundesrepublik den Handel mit Indonesien an. 1,8 Milliarden Mark betrug das Volumen des Im- und Exports im vergangenen Jahr. Die deutschen Investitionen in Indonesien sind zwar noch gering, aber zeigen deutliche Zunahmen: Bis Ende 1992 hatten 150 deutsche Unternehmen, vor allem Chemie-, Elektrizitäts- und Autofirmen, zusammen 267 Millionen Mark dort angelegt.

Bei den deutschen Exporten spielen Waffen eine besonders große Rolle, wie die Initiative „Stoppt den Rüstungsexport“ darlegt. Für 276 Millionen Mark lieferte die Bundesrepublik Waffen und sonstige militärische Güter nach Indonesien, darunter U- Boote, Militär-Lkw und Torpedos. Dies entspricht etwa neun Prozent der gesamten Ausfuhren.

Suhartos Besuch in der Bundesrepublik sieht neben der Hannovermesse auch ein Treffen mit Bundespräsident Roman Herzog und eine Fahrt zu Bayer in Leverkusen und zu MAN in Oberhausen vor. Ein Ausflug nach Weimar wurde allerdings abgeblasen, ob wegen der Aussage des Weimarer Stadtrates, Suharto sei „nicht willkommen“, wollte der Regierungssprecher nicht sagen.

Der indonesische Minister für Forschung und Technologie, Rudy Habibie, begleitet Suharto nach Hannover. Der als möglicher Nachfolger Suhartos gehandelte Machtpolitiker steht den zahlreichen kostspieligen Staatsunternehmen Indonesiens vor, darunter Luftfahrt, Schiffswerften und Rüstungsbetriebe. Seine ausgedehnte Familie dürfte mindestens über 40 Unternehmen direkte Kontrolle ausüben.

In Hannover dürfte es ihm vor allem darauf ankommen, zu Hause seine eigene Position im Kampf gegen die sogenannten Technokraten in der Regierung zu stärken, die eine andere Verwendung staatlicher Mittel favorisieren. Er hofft außerdem, in Hannover sein Land als dem freien Welthandel verpflichtet darzustellen – obwohl die durch Zölle geschützten Staatsbetriebe riesige Subventionen erhalten.

Es dürfte in erster Linie Minister Habibie, einem in Deutschland ausgebildeten Ingenieur, zu verdanken sein, daß Indonesien das diesjährige Partnerland der Hannovermesse ist. „Mister Habibie ist ein alter Freund der Messe“, sagte der Messesprecher Eberhard Roloff. „Er hat die Idee vor ein paar Jahren selbst vorgebracht.“ Hugh Williamson

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen