: Darf ich mal die Papiere sehen?
■ Was macht eigentlich der Bremer „Kulturrat“? Eine kleine Umfrage
Wenn es so weitergehe, könne man den Laden nach den Wahlen auch getrost auflösen: Hermann Stuzmann, Künstler, Aktivist und Kulturratsherr der ersten Stunde, macht aus seiner Enttäuschung über die Trägheit des Kulturrats keinen Hehl. So scharf wie Stuzmann formulieren nicht alle ihre Bilanz. Aber drei Jahre, nachdem das Gremium als Bündnis von freien und etablierten Kulturschaffenden mit mächtigem Getöse auf den Plan trat, ist die Selbstkritik bei vielen Beteiligten unüberhörbar.
Die Ansprüche waren in der Tat enorm: Der Rat wollte sich „kräftig in die kulturpolitische Debatte einmischen“, wollte „den Dialog zwischen Kulturschaffenden und der Behörde organisieren“ und gar „die kulturelle Bildung der bremischen Abgeordneten fördern“. In sechs „Sektionen“ aufgeteilt, gingen die Kulturbewegten daran, die Vorsätze in die Tat umzusetzen. Der akute Zustand heute: Nach langer Funkstille saß der Rat jetzt mal wieder zusammen, um eine kritische Bilanz grüner Kulturpolitik zu ziehen. An dem Ergebnis wird derzeit noch gebastelt. In gut 14 Tagen, so wird versprochen, soll es eine offizielle Stellungnahme geben.
Der Kulturrat sei heute „nichts weiter als ein Beobachtungsposten“, sagt Hermann Stuzmann. Nach dem großartigen Aufbruch, bei dem noch viele an einem Strang gezogen hätten, sei nun „eine gewaltige Ruhe eingetreten“. Auf der Habenseite verzeichnet Stuzmann, daß der Rat in der Kulturdeputation vertreten sei. So könne man nun „Einsicht nehmen in die Papiere“ – aber mehr eben nicht. Das Verhältnis zwischen dem Kulturressort und den freien Ratsleuten habe sich gar „absolut rückläufig entwickelt“. Im jetzigen Zustand sei der Rat jedenfalls als kritischer Begleiter des Ressorts überflüssig – „das ist immer so mit den Räten, wenn die Revolution nicht stattfindet“.
Als gelungen empfindet hingegen Brigitte Schulte-Hofkrüger die Einmischung der Räte in die Politik. Als Sprecherin der „Sektion Musik“ ist sie des öfteren Beisitzerin in der Kulturdeputation. Und dort hätten die „fachlichen Einwendungen“ der Ratssprecher durchaus Wirkung gezeigt: „Zumindest dämmert jetzt manchen Politikern, wo sie inhaltliche Defizite haben.“ Auch stellt sie eine „größere Transparenz“ bei den politischen Entscheidungswegen fest.
Peter Lüchinger von der Shakespeare Company („Sektion Theater“) assistiert: „Die Haushaltspläne der Behörde kriegt man jetzt schon vorher zu sehen.“ Doch während Etatfragen nun im Detail beobachtet werden können, schwindet ganz offenbar das Interesse an weitergefaßten kulturpolitischen Debatten. Lüchinger räumt ein, das sei wohl „im Alltagsgeschäft etwas eingeschlafen“. Kollegin Renate Heitmann bestätigt: Durch die neuen Haushaltsansätze habe sich die Arbeit einiger Kulturstätten „ein Stück weit stabilisiert, da hat man sich erstmal wieder aufs Kunstmachen zurückgezogen.“
Bei den freien Gruppen, sagt auch Schulte-Hofkrüger, seien halt neben dem Tagesgeschäft „wenig Kapazitäten frei“ für kulturpolitische Statements. Und auch die Treffen des Kulturrats selbst interessieren die Aktivisten von damals immer weniger: Rund hundert Sympathisanten zählte man vor drei Jahren; heute kommen „zwischen 10 und 15 Leuten“ zu den Sitzungen. Allerdings: Die 100 Leute seien auch schnell wieder zu mobilisieren – „wenn es wieder um Verteilungskämpfe geht“, oder für den Fall, „daß Bernbacher wirklich Kultursenator werden sollte“.
Das alles kann Reinhold Schäfer, (Ex-„Sektion Theater“) nicht mehr jucken. Der freie Theatermacher ist vor anderthalb Jahren aus dem Rat ausgezogen, weil selbst dort „der Kontakt zwischen Basis und Sprechern nicht mehr stimmt“ – und Schäfer wolle eben „kein Alibi abgeben für die Freien“. tw
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