: Vorsicht, veritabler Langweiler!
■ Beim 0:0 zwischen HSV und Bremen werden sämtliche Theorien über die Eleganz des Spiels ad absurdum geführt
Hamburg (taz) – Werders Manager Willi Lemke enttäuschte schon während der Halbzeitpause jene, die sich von der Partie des HSV gegen den heimlichen Meisteraspiranten Werder etwas erwartet hatten. „Wir sind angereist, um einen Punkt zu gewinnen“, teilte er fröhlich mit. Da stand es 0:0. Und also zu befürchten, daß es dabei bleiben würde. Otto Rehhagels Glaube an die kontrollierte Offensive nämlich beinhaltet auch die Einsicht, es beim Remis zu belassen, wenn der Sieg allzu schwer zu erringen scheint.
Und so geschah's. Torlos, bar aller Höhepunkte ging das Spiel zu Ende. Weder hatte der HSV (9., 23:25) eine einzige nennenswerte Torchance, noch vermochten die Bremer, hinter Dortmund nun einen Punkt zurück (2., 35:13), ihre bescheidenen Möglichkeiten in Treffer zu verwandeln. Es war eines der langweiligsten Spiele, das im Volksparkstadion jemals zu besichtigen stand.
Und das lag kaum an den Bremern. Sie, die während der Hinrunde von den Hamburgern mit 1:4 „abgeledert“ (Werder-Tormann Oliver Reck) wurden, sind eben immer nur gut, wenn es gegen wirklich besondere Mannschaften geht – da waren sie in Hamburg an der falschen Adresse. Jene, die ohne Stars in der Liga so vor sich hinspielen, als sei das Dasein als graue Maus der Branche zwar schwer zu ertragen, aber leider unvermeidlich, können nur eines: sämtliche Theorien über die Eleganz des Fußballs an und für sich über den Haufen werfen.
Da stolpert Yordan Letschkow über die eigenen Füße, als spielte er noch in der Pampersliga; da haspelt Jörg Albertz orientierungslos über den Rasen, als hätte er am Abend zuvor eine Überdosis Fliegenpilze genossen; und da steht im Kasten der Uli-Stein-Ersatzmann Richard Golz, der bei Abschlägen am liebsten den Ball ins Aus befördert. „Der Wind“, prustete er wie sein Trainer Benno Möhlmann später entschuldigend über jene meteorologische Erscheinung, welche in Hamburg zum Standardprogramm gehört. „Windige Ausreden“, spottet das Hamburger Abendblatt, in Sachen HSV nicht eben selten um manchen Blick unter den ungekehrten Teppich bemüht. Das Publikum pfiff wie immer, trottete von dannen und glaubt vermutlich selbst nicht daran, in absehbarer Zukunft am Showgeschäft Bundesliga als Macher beteiligt zu werden.
HSV-Schatzmeister Gerhard Flomm, der in letzter Zeit durch Sticheleien wider seinen dilettierenden Präsidenten Ronald („Ronny, schmeiß mal 'ne Runde“) Wulff auf sich aufmerksam machte, erkannte: „Das wird für den Verein eine Durststrecke.“ Ohne ihn wäre vielleicht niemand auf diesen, pardon, Gedanken gekommen. Jan Feddersen
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