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Beim Seelsorger Geständnis zurückgezogen

■ Im Solinger Mordprozeß stützte der Gefängnispfarrer am gestrigen Prozeßtag den Widerruf des 25jährigen Angeklagten Markus Gartmann / Anklage unter Druck

Düsseldorf (taz) – Im Prozeß um den Solinger Brandanschlag gerät die Anklage der Bundesanwaltschaft mehr und mehr unter Druck. Gestern bestätigte der Wuppertaler Gefängnispfarrer Kurt Gerhard Feisel (57), daß der 25jährige Angeklagte Markus Gartmann ihm schon 1993 offenbart habe, sein Geständnis sei falsch.

Bei der Polizei hatte Gartmann zu diesem Zeitpunkt dagegen die Tat ebenso gestanden wie gegenüber seinem Anwalt Siegmund Benecken und dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes. Seit Prozeßbeginn hatte Gartmann dann auch immer wieder erklärt, er und seine drei Mitangeklagten, von denen zwei von Anfang an ihre Unschuld beteuern, seien die Täter gewesen.

Um so überraschender kam deshalb der Geständniswiderruf vor gut zwei Wochen. Weil Gartmann dabei auch erstmals auf seine Gespräche mit Pfarrer Feisel hingewiesen hatte, fand der sich nun gestern im Zeugenstand des Düsseldorfer Oberlandesgerichts wieder. Von seiner Schweigepflicht entbunden, schilderte der Pfarrer, daß er dem Angeklagten den Widerruf bei seinem ersten Gespräch am 27. Juli 1993 zwar „noch nicht geglaubt“ habe. Doch bei weiteren Gesprächen sei in ihm dann „die Überzeugung gewachsen, daß das stimmt, was er mir sagt“.

Näher begründen konnte der Seelsorger den Sinneswandel indes nicht. Gartmann habe mit „großer Emotionslosigkeit“ von dem polizeilichen Vernehmungsdruck berichtet und von seiner „Hoffnungslosigkeit“, da jemals wieder rauszukommen. So habe die Polizei ihn mit den Worten: „Wenn du jetzt nicht redest, dann kannst du im Arsch Arschficken lernen“, immer Angst gemacht. Das Drängen von Feisel, doch nun wenigstens gegenüber seinem Anwalt die „Unschuld“ einzugestehen, wehrte Gartmann nach der Erinnerung des Pfarrers so ab: „Herr Benecken hat mir gesagt, wenn du jetzt widerrufst, bekommst du lebenslänglich.“

Gartmann selbst brach das Gespräch mit dem Pfarrer, von dem er den Eindruck gewann, „der glaubt mir nicht“, Ende 1993 ab. Von Wuppertaler Polizeibeamten wurden die Behauptungen von Markus Gartmann über die Vernehmungsmethoden gestern scharf zurückgewiesen. Nichts davon sei wahr, erklärte ein Wuppertaler Beamter. Solche Methoden „habe er nicht nötig“.

Sehr überzeugend klingen solche Dementis indes nicht, denn zumindestens im Fall des Mitangeklagten Christian B. hatte die Polizei vergleichbare Drohgebärden eingeräumt. Der oberste BKA-Ermittlungsbeamte hatte dies vor Gericht bestätigt. Walter Jakobs

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