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Schlegelberger drängte in die NSDAP

■ Der Berliner Rotkreuz-Präsident bewarb sich dreimal um Mitgliedschaft in der Nazi-Partei / Brief von 1942 aufgetaucht / Landesversammlung tagt heute abend

Der Rücktritt des Berliner Rotkreuz-Präsidenten, Hartwig Schlegelberger, ist nicht mehr auszuschließen. Seit Wochen wird von vielen Seiten die Abdankung des 81jährigen ehemaligen Marineoberstabsrichters gefordert. Heute abend tritt in der Charlottenburger Frauenklinik in der Pulsstraße die Landesversammlung des Berliner Roten Kreuzes zusammen.

Auf der Tagesordnung des höchsten Organs des Berliner DRK steht unter anderem die Neubesetzung des Postens des Landesarztes. Der ehemalige Landesarzt, Klaus Burkhard, hatte seinen Posten aus Protest gegen Schlegelberger geräumt. Auch der Posten des Justiziars, der seit längerer Zeit nicht besetzt ist, soll vergeben werden. Insider gehen davon aus, daß zudem Schlegelbergers Zukunft als DRK-Präsident diskutiert wird. Ob es in diesem Punkt zu einer Abstimmung der 74 Delegierten kommt, ist offen.

Unterdessen werden immer mehr Informationen über Hartwig Schlegelbergers Vergangenheit bekannt. Schlegelberger war zwar nie Mitglied der Nationalsozialistische Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) gewesen, nach eigenen Angaben habe er ihr auch nie nahegestanden. Daß er aber dreimal versuchte, in die Nazi-Partei einzutreten, erwähnte er früher nicht.

In einer der taz vorliegenden Abschrift eines Briefes vom 22.11. 1942 hatte Schlegelberger gegenüber dem Landesgerichtspräsidenten in Potsdam seinen Wunsch erklärt, daß er in die Partei aufgenommen werden wolle. Danach stellte Schlegelberger drei Aufnahmeanträge. Zum ersten Mal bat er 1937 „mündlich und schriftlich“ bei der Landesgruppe in London um Mitgliedschaft — Schlegelbergers damaligem Wohnort. Im August 1938 bekam er von der Kreisleitung der NSDAP in Zauch-Belzig die Nachricht, daß sein Ersuchen nicht eingegangen sei. Ein zweiter Versuch wurde mit der Begründung einer bestehenden Mitgliedersperre abgelehnt. Bei der Ortsgruppe Schlachtensee stellte Schlegelberger später einen dritten Antrag. Schlegelberger schreibt: „In den ersten Kriegsmonaten erhielt ich dann eine Mitteilung, daß nunmehr eine Aufnahme möglich wäre. Zu der Zeit befand ich mich aber bereits im Wehrdienst.“ Ob Schlegelberger zu einem späteren Zeitpunkt eintreten konnte, geht aus dem Brief von 1942 nicht hervor. In einem „Vorschlag zur Ernennung vom Gerichtsassessor zum Landgerichtsrat“ vom 28. Juli 1942 taucht ein weiteres Detail auf. In der Personalakte wird angegeben, daß Schlegelberger „zunächst SA- Mann“ war, bevor er 1933 in das „Nationalsozialistische Kraftfahrerkorps“ (NSKK) eintrat. In einer weiteren Personalakte, einem Fragebogen der Friedrich-Wilhelms- Universität in Berlin, wird die Frage, ob Schlegelberger vor der Machtübernahme in politischen Parteien oder Verbänden Mitglied war, jedoch verneint. Eine Seite später wird dann aber aufgeführt, daß Schlegelberger „Mitglied in NSV und anderen NS-Verbänden“ sei.

Schlegelberger hatte vor einer Woche erklärt: „Die Berichte über diese Zeit und die Unterlagen, aus denen sich meine Tätigkeit ergibt, liegen vollständig vor und sind immer wieder parlamentarisch und von den Ermittlungsbehörden strafrechtlich überprüft worden.“ Für die Berliner Rotkreuz-Führung teilte Gerhard Bauer, Landesgeschäftsführer, bereits Ende Februar mit: „Dr. Schlegelberger war nie Mitglied der Nazi-Partei.“ Dies war einer der Gründe, mit denen das Gremium seinen Entschluß begründete, dem Präsidenten „einhellig und uneingeschränkt das Vertrauen“ auszusprechen. Christoph Dowe

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