: Wenn Vietnamesen zur Ware werden
Bonn und Hanoi streiten über die Bezahlung für Rückkehrer: Hanoi schwenkt auf Kompromißlinie ein / Statt Bargeld aus dem Geldkoffer 20 Millionen Mark als Entwicklungshilfe ■ Von Annette Rogalla
Berlin (taz) – Die Konditionen, zu denen die vietnamesische Regierung einen Teil ihrer in der Bundesrepublik lebenden Landsleute wieder aufnehmen will, scheinen jetzt weitgehend klar. Die Regierung in Hanoi beharre nicht mehr auf ihrem Standpunkt, die Menschen nur gegen Barzahlung zurückzunehmen, bestätigte Leo Kreuz, Pressesprecher des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit gegenüber der taz. „Von höherer Regierungsebene haben wir Signale empfangen, daß man bereit ist, auf unsere Kompromisse einzugehen.“ An der Frage der Bezahlung aus dem Geldköfferchen waren vor sieben Wochen in Vietnam die Rückkehrverhandlungen gescheitert.
Konkret geht es um 20 Millionen Mark, die die Bundesregierug Vietnam anbietet. Hanoi hatte zunächst geplant, mit dem Geld eine Verwaltung aufzubauen und ein Lager für Rückkehrende einzurichten. Darauf will das kommunistische Land jetzt verzichten. Das Geld soll marktwirtschaftlich für sach- und projektgebundene Hilfe ausgegeben werden. Bis zu 10 Millionen könnten für die sogenannte Warenhilfe verwendet werden, etwa die Lieferung von Lastkraftwagen oder Maschinen. Mit den anderen 10 Millionen Mark soll ein seit zwei Jahren laufendes Existenzgründungsprogramm aufgestockt werden.
Die beiden Parteien haben noch nicht darüber verhandelt, welche Voraussetzungen Interessenten vorweisen müssen, um Zugang zu den Krediten zu erlangen. Die Gespräche sollen in diesem Monat wiederaufgenommen werden. „Wir können aber nicht sagen, daß die Kuh vom Eis ist“, meinte Kreuz.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums fordert Hanoi von allen Rückkehrern eine „medizinisch abgeschlossene Heilbehandlung“, auf die man sich aber nicht einlassen wolle. Innenminster Manfred Kanther (CDU) verbreitet die Zahl von 40.000 „illegal in der Bundesrepublik lebenden Vietnamesen“, die in den kommenden fünf Jahren zurück sollen. Diese Zahl sei deutlich zu hoch gegriffen, hatte bereits im Januar die Ausländerbeauftragte von Brandenburg, Almuth Berger, gerügt. Betroffen von der stufenweise Abschiebung wären in erster Linie abgelehnte Asylbewerber aus Vietnam. Etwa 22.000 von ihnen verzeichnet das Ausländerzentralregister. Von den rund 15.000 der ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter haben laut Berger 12.000 eine Aufenthaltsberechtigung, die sie zumindest bis Mitte des Monats schützt. Etwa 25.000 Personen könnten schubweise zurückverfrachtet werden. Ein großer Teil von ihnen dürfte jedoch in die Illegalität abtauchen.
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