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Nato-Generalsekretär bald nicht mehr immun

■ Das oberste Gericht Belgiens will untersuchen, in welchem Ausmaß Willy Claes über die Schmiergeldaffäre der sozialistischen Partei des Landes informiert war

Brüssel (taz) – Einen Monat lang war der Nato-Generalsekretär Willy Claes wegen der Schmiergeldaffäre seiner sozialistischen Partei vollständig abgetaucht – vorgestern stellte er sich zum ersten Mal einer Gruppe ausgewählter Journalisten. Doch es scheint, daß er dabei nicht alle offenen Fragen geklärt hat. Gestern beantragte das oberste belgische Gericht beim belgischen Parlament die Aufhebung der Immunität von Willy Claes. Die Staatsanwälte wollen genauer wissen, wie weit der Nato-Generalsekretär über die Bestechungsaffäre informiert war. Er habe das Gefühl, alles gesagt zu haben, was er wisse, kommentierte Claes den Antrag des Gerichts, fügte aber vorsorglich hinzu, daß ihn sein Gefühl in dieser Sache täuschen könne: „Aber man weiß ja nie.“

Vor fünf Wochen mußte Claes schon einmal einräumen, sein Gewissen nicht vollständig erforscht zu haben. Nachdem der inzwischen zurückgetretene Außenminister Frank Vandenbroucke von einem Gespräch bei Claes erzählte, erinnerte sich plötzlich auch dieser wieder. Bei der Unterredung in seinem Büro im Jahre 1989 war es um das Angebot der italienischen Rüstungsfirma Agusta gegangen, die der flämischen Sozialistischen Partei aus Dankbarkeit für einen Regierungsauftrag über 46 Hubschrauber 2,5 Millionen Mark spenden wolle. Claes, der damals als Wirtschaftsminister die Vorentscheidung für die Agusta- Hubschrauber traf, versichert seitdem, er habe das Angebot zurückgewiesen.

Die Fragen an Claes dürften sich nun zum einen darauf konzentrieren, ob er wirklich erst nach der Entscheidung für die Hubschrauber von dem Spendenangebot erfahren hat. Denn seltsamerweise fällte die Regierung ihr Votum gegen die Meinung von Militärexperten, die für das selbe Geld lieber bessere Geräte gekauft hätten. Zum anderen werden die Ermittler wissen wollen, ob Claes nicht doch irgendwann davon erfahren habe, daß die sozialistische Partei die Spenden angenommen hat – oder ob er nicht zumindest Verdacht geschöpft habe, als die finanziell chronisch klamme Partei plötzlich genügend Geld hatte.

Das Parlament will bereits heute über die Aufhebung der Immunität des Nato-Generalsekretärs abstimmen. Aufgrund einer eigenartigen rechtlichen Konstruktion der Nato ist dafür nicht das Militärbündnis selbst, sondern das belgische Parlament zuständig. Die Abgeordneten werden bei ihrer Entscheidung auch die Stimmung in der belgischen Bevölkerung berücksichtigen, die endlich Aufklärung will. Im Mai sind in Belgien vorgezogene Parlamentswahlen. Alois Berger

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