: Einzelfallprüfung mit ungewissem Ausgang
■ Nordrhein-Westfalens Innenminister Schnoor verspricht „sorgfältige Prüfung“ nach Aufhebung des generellen Abschiebestopps / Hoffnung auf türkische Zusagen
Düsseldorf (taz) – Die Ausländerämter in Nordrhein-Westfalen werden in den nächsten Tagen per Erlaß aus dem Düsseldorfer Innenministerium angewiesen, vor der Abschiebung von Kurden in die Türkei „eine sorgfältige Einzelfallprüfung“ zu absolvieren. Das kündigte Innenminister Herbert Schnoor (SPD) gestern in Düsseldorf an. Schnoor hatte in der vergangenen Woche den bis zum 31. März in NRW geltenden generellen Abschiebestopp aus Furcht vor einer CDU-Kampagne im Landtagswahlkampf nicht mehr verlängert. Eine abrupte Kehrtwende mit Blick auf den Wahltermin am 14. Mai, die die NRW-Jusos als „pervers“ kritisierten. Schnoor verteidigte gestern seinen Schritt mit der „Sorge“, daß die „Hetze“ der CDU bei diesem Thema zu neuer Fremdenfeindlichkeit führe. Weil aber bis zum endgültig endenden Abschiebestopp am 12. Juni „nicht mehr an Schutz für abgeschobene Kurden zu erreichen gewesen wäre, als ich jetzt erreicht habe“, sei er von seinem ursprünglichen Kurs abgerückt. „Nicht aus wahltaktischem Opportunismus“, sondern allein, um der „Hetze“ den Boden zu entziehen. An seiner Forderung „nach Garantien für einen rechtsstaatlichen Umgang mit abgeschobenen Kurden“ halte er fest.
Die Ausländerämter müssen nun „Beratungsgespräche“ mit jedem einzelnen der rund 1.200 ausreisepflichtigen Kurden in NRW führen. Wenn sich dabei Anhaltspunkte für eine neue Verfolgungssituation ergeben, soll ein Asylfolgeverfahren eingeleitet werden. Alle diejenigen, die nach dem Ausländergesetz zur Ausreise verpflichtet sind, sollen erst dann abgeschoben werden, wenn von türkischer Seite „Garantien“ vorliegen. Sofern die Personen einverstanden sind, wird über die türkische Botschaft in jedem Einzelfall nachgefragt, welche Maßnahmen von seiten der türkischen Behörden gegen die abzuschiebende Person vorgesehen sind. Kommt dabei heraus, daß gegen die Person nichts vorliegt, dann folgt die Abschiebung. Auf Wunsch soll schon von Deutschland aus eine Betreuung von Abgesandten des Istanbuler Menschenrechtsvereins bei Ankunft in der Türkei sichergestellt werden. Ein entsprechender Vertrag ist indes noch nicht unterzeichnet. „In den Fällen aber, in denen die Türkei die Möglichkeit einer Strafverfolgung bestätigt, werde ich mir die Akte anschauen“, kündigte Schnoor an. Im Düsseldorfer Innenministerium glaubt man, daß es sich die türkische Regierung nicht leisten könne, personenbezogene Zusagen nicht einzuhalten. Wenn doch, dann, so ein Schnoor-Sprecher, „schlagen wir Krach“. Walter Jakobs
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