: Revolution in der Waschküche
■ Außer der Kleidung wird nun auch das Waschpulver aus Hanf hergestellt
Ein Waschmittel aus Hanföl kommt Mitte des Jahres auf den Markt. Es soll schneller und besser biologisch abbaubar als bisherige Waschmittel sein, aber doch hervorragende Waschergebnisse erzielen. Rolf Achteck sprach mit den beiden Erfindern, Max und Brigitte Olschewski.
Ist „Sativa“ die Revolution in der Waschküche?
Also wir sagen jetzt nicht: Benutze nie mehr Marke X oder Marke Y, sondern nur noch unsere. Wir schlagen einfach einen besseren Weg vor. Wir sagen der Hausfrau: Du kannst deine schweren Flecken wegbleichen, du kannst sie von Enzymen wegfressen lassen, oder du machst dir die kleine Mühe, sie kurz mit unserer umweltfreundlichen Tensid-Paste oder dem Spray vorzubehandeln – und kannst dafür auf chemische Keulen verzichten.
Und es wäscht trotzdem richtig sauber?
Vielleicht darf ich mal kurz die von uns im Labor getesteten Verschmutzungen aufzählen. Neben Fahrradschmiere waren es Blaubeeren, Blut, Tinte, Tee, Mayonnaise, Curry-Ketchup, Rotwein, Kakao und Lippenstift. Also wirklich hundsgemeine Flecken.
Sie sagten eben vorbehandeln, dann waschen. Ist „Sativa“ ein Baukastensystem?
Ja, aber man braucht dazu kein Öko-Abitur, es ist bei allen Temperaturen universell einsetzbar. Besonders hartnäckige Flecken sollten nur vor der Wäsche kurz mit dem Tensid eingerieben werden, das im übrigen pH-neutral und hautfreundlich ist. Im Waschmittel selbst sind weder Bleichmittel noch deren Beschleuniger enthalten, keine Phosphate und Phosphonate, keine Enzyme und keine optischen Aufheller.
Mit dem Tensid einreiben? Was ist denn überhaupt ein Tensid?
Das Wort Tensid kommt aus dem Lateinischen, Tension heißt Spannung, und es hat zu tun mit der Oberflächenspannung. Wenn also ein Wassertropfen hier auf den frisch polierten Tisch fällt, dann macht er einen Buckel, weil die Oberfläche des Tisches, egal ob gestrichen, gewachst oder lackiert, hydrophob ist, also Wasser abweist. Die Oberflächenspannung des Tisches ist relativ niedrig, die Oberflächenspannung des Wassers aber ist hoch. Wegen dieser unterschiedlichen Spannung ist das Wasser nicht in der Lage, sich zu verteilen, also den Tisch zu benetzen. Das Tensid nun ist ein Stoff, der es ermöglicht, daß sich Substanzen mit so unterschiedlichen Oberflächenspannungen trotzdem vermischen.
Wie geschieht das?
Die Besonderheit ist, daß das eine Ende des Tensidmoleküls wasserfreundlich ist und das andere Ende fettfreundlich...
...also eine Art Doppelagent, der sich mit beiden „feindlichen“ Oberflächen verbinden kann?
So könnte man es ausdrücken. Das fettfreundliche Ende des Moleküls verhaftet mit der Tischfläche und ermöglicht dem wasserfreundlichen Ende, sich darauf auszubreiten. Wobei Fett nicht nur Schmalz oder Schweinefett bedeutet, sondern jeden Dreck, auch Kunststoff oder Benzin.
Was unterscheidet das nach Ihrem Verfahren aus Hanföl gewonnene Tensid von anderen?
Wir können nicht Mohrrüben mit Äpfeln vergleichen, deshalb beschränken wir uns auf die biologisch gut abbaubaren Tenside. Diese werden aus Zucker und aus Fettsäurechloriden gewonnen. Dabei wird immer nur eine Fettsäure, wie Palmfettsäure oder Kokosfettsäure, eingesetzt, also Fettsäuren von definierter Kettenlänge. Wir setzen keine Fettsäurechloride von bestimmter Länge, sondern natürliche Fette ein. Diese verfügen immer über ein Gemisch der Fettsäuren, haben also auch unterschiedliche Längen. Wir benutzen auch kein Eiweiß und keinen Zucker, sondern Hefe, wiederum ein Gemisch. Deshalb ist das Endergebnis, unser Tensid, ebenfalls ein Gemisch. Wir haben festgestellt, daß gerade dieses Gemisch besonders leistungsfähig ist. Herkömmliche Tenside senken die Oberflächenspannung des Wassers nicht so weit herunter wie unseres. Das erreichen sonst nur giftige oder sehr schwer abbaubare Exoten.
Ihr Tensid besteht aber nur aus natürlichen Rohstoffen, Hanföl und Hefe. Wie kommt es, daß es so wirksam ist?
Für den fettfreundlichen Teil benutzen wir Öl aus nachwachsenden Rohstoffen wie Hanf, für den wasserfreundlichen nehmen wir Einzeller, Mikroorganismen, Bakterien. Wir können zum Beispiel Klärschlamm benutzen, das ist ja nichts anderes als tote Bakterien. Wir nehmen die Einzeller der Hefe. Die spalten wir uns dann noch ein bißchen zurecht und verbinden sie mit dem Fetteil des Öls. Normale Tenside, wie sie weltweit täglich tonnenweise verbraucht werden, sind eher chemische Produkte, die zwar von der Fettseite her von Mutter Natur bestückt werden, von der anderen Seite her aber sind sie synthetisch.
Und das macht die Probleme mit der Abbaubarkeit?
Ja, und unser Tensid ist von beiden Seiten natürlich. Und wir haben noch ein paar andere Sachen auf dem Teller, bildlich gesprochen. Nicht nur Fleisch und Kartoffeln, sondern auch noch ein bißchen Gemüße, Soße, Vitamine. Das heißt Phosphor oder Spurenelemente – und das schmeckt den Bakterien. Sie fressen mit Begeisterung, und das ist der Grund, warum unser Tensid so schnell und hundertprozentig abgebaut wird. Biologische Abbaubarkeit heißt doch nichts anderes, als daß die Bakterien fressen. Und das tun sie bei den chemischen Tensiden eben nicht so gern, weil die schmackhaften Zutaten fehlen.
Das hört sich alles ganz einfach an. Sie haben aber im letzen Jahr dieses Verfahren patentieren lassen. Wieso ist denn vor Ihnen noch Fortsetzung nächste Seite
niemand auf die Idee gekommen, Öl und Hefe zu Tensiden zu machen?
Wir haben bis zur Abwicklung der „Akademie der Wissenschaften“ in Adlershof im Institut für Organische Chemie gearbeitet. Und was macht so ein Wissenschaftler da? Er fügt genau definierte Molekülketten zusammen und kriegt denn auch planmäßig etwas heraus, worüber er dann eine Veröffentlichung publizieren kann. Nun kommen wir beide aus dem Gebiet der polymeren Chemie, gehen also mit hochmolekularen Verbindungen um, verklumpten und vernetzten Stoffen ... von den Leuten da wird das nicht so recht als exakte Wissenschaft gesehen, wir waren die Schmierenchemiker. Weil wir eben nie irgendwelche definierten Produkte rauskriegen können. Nach der Wende haben wir in verschiedenen Projekten mit der Herstellung von abbaubaren Kunststoffen aus Heferesten beschäftigt. Dabei haben wir festgestellt, daß bei der Verbindung von Fetten und Hefe in unserem Kolben Tenside entstehen, und die hatten eine ganz erstaunliche Oberflächenspannung.
Sie haben diese Tenside also schmierenchemikermäßig und eigentlich eher zufällig gefunden?
Ja. Die extrem niedrige Oberflächenspannung schien uns zuerst unglaublich. Wir haben das beim Max-Planck-Institut nachmessen lassen, und die wedelten dann mit der Meßkurve durchs Haus: „Das ist ja ein echter Sonntagsschuß.“ Das hatte man uns als Polymer- Chemikern gar nicht zugetraut.
Ein normaler Chemiker hätte das gar nicht machen können?
Doch, eigentlich schon. Die Herstellung ist eine einfache chemische Reaktion, aber man braucht eine Menge Fingerspitzengefühl. Das kam eher aus dem Bauch heraus – und eben aus der 15jährigen Erfahrung im Umgang mit Polymeren.
Bei der ökologischen Bewertung eines Produkts spielen auch die eingesetzten Rohstoffe, Energieaufwand und Abfallprodukte bei der Produktion eine wichtige Rolle. Wie ist „Sativa“ in dieser Hinsicht zu bewerten?
Die Produktion erfolgt in einer Ein-Topf-Reaktion, bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen. Wir haben keine Abprodukte, wir können das Gemisch so einsetzen, wie es ist.
Warum ist Hanföl für die Tensidherstellung so interessant?
Wir haben Tenside aus allen möglichen Ölen gemacht: Leinöl, Sonnenblumenöl, Rapsöl, Sojaöl und so weiter, jedesmal mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen, obwohl diese Öle von der Analyse her alle ziemlich ähnlich sind. Die Tenside aus Hanföl zeigten einfach die besten flecklösenden Eigenschaften. Wir benutzen auf der Fettseite nicht nur Hanföl, sondern auch noch andere Fette. Die Kombination mit Hanföl hat sich als universellste erwiesen.
Haben Sie eine Idee, warum?
Wie gesagt: Chemisch sehr ähnliche Öle verhalten sich als Tensid doch recht unterschiedlich. Wir haben alle landläufigen Öle ausprobiert, und Hanföl hat sich als das geeignetste erwiesen. Warum es sich im Detail so verhält, dies zu erforschen hatten wir noch nicht genug Zeit. Aber daß sich Hanföl am günstigsten verhalten hat, das kann ich, ohne rot zu werden, sagen. Die Theorie dazu interessiert mich zwar sehr, aber sie ändert nichts daran, daß es sich so verhält.
Sehen Sie über den Waschmittelbereich hinaus weitere Einsatzmöglichkeiten für ihre Erfindung?
Ja, und zwar sehr viel großflächiger als die ja gar nicht so kleine Waschmittel-Tonnage. Zum Beispiel für die Reinigung kontaminierter Böden. Um dort etwa Teer und Öl vom Boden zu lösen – damit die eingesetzten Bakterien fressen können –, hat man es mit „chemischen“ Tensiden versucht, mit dem Ergebnis, daß die Stoffe zwar gelöst wurden, aber die Bakterien alle starben. Deshalb waren Mikrobiologen und Biotechniker auf Tenside nicht gut zu sprechen – bis wir ihnen unseres gaben. Wir haben schon einige gestandene Profis echt zum Staunen gebracht.
Noch eine Frage zum Preis Ihres Biotensids. Wird es konkurrenzfähig sein gegnüber den herkömmlichen Waschmitteln?
Bei den derzeitigen Preisen für Hanföl, das ja in Westeuropa eine Rarität geworden ist, wird das „Sativa“-Waschmittel sicher kein Billigpreisbrecher werden. Aber ein Vollwaschmittel von ganz außerordentlicher Umweltfreundlichkeit. Wenn Hanföl hoffentlich bald wieder so billig wird, wie es früher war, und wenn die Ökobilanzen der eingesetzten Rohstoffe und Verfahren hoffentlich bald in den Preis aller Waschmittel eingehen – dann kann „Sativa“ nicht nur das ökologischste, sondern auch das billigste Waschmittel werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen