: Die taz bald auf Hanf?
■ Cannabis ist besser zur Papierproduktion geeignet als Holz
Ein Hanffeld erbringt vier- bis fünfmal soviel Papier wie ein gleich großer Wald. Das Papier kann mit geringerem Chemikalien- und Energieaufwand gewonnen und dank der höheren Qualität der Hanffaser öfter recycelt werden. Dennoch ist Hanfpapier drei- bis viermal so teuer wie Holzpapier.
Der Grund: Holzpapier ist heute einfach zu billig. Nach wie vor werden Urwälder als scheinbar kostenloser Rohstoff kahlgeschlagen. Wer nach deutschen Postleitzahlen sucht, blättert in kanadischem Regenwald, der als Zellstoff zu Billigpreisen auf den Markt geworfen wird.
Zum anderen ist Hanfpapier so teuer, weil es als Druckpapier seit über 100 Jahren quasi ausgestorben ist. Nur in China, wo vor 2.000 Jahren die Herstellung von Hanfpapier erfunden wurde, werden noch größere Mengen Hanf zu Papier verarbeitet. Ansonsten wird weltweit über 90 Prozent des gesamten benötigten Papiers aus Holz hergestellt. In der ganzen westlichen Welt gibt es zur Zeit nur einen Hersteller, die spanische Firma Celesa, der noch Hanf zu Zellstoff verarbeitet. Abnehmer sind Hersteller von industriellen Filterpapieren, Zigarettenpapier und anderen Spezialpapieren, bei denen die besondere Reiß- und Nässefestigkeit des Hanfs unverzichtbar ist. Dieser Spezialmarkt ist winzig, verglichen mit dem Massenmarkt des Druckgewerbes – und entsprechend hoch ist der Preis für Hanfzellstoff.
1991 begann der „Hemp“-Aktivist Peter Messenger in England, aus diesem Zellstoff Briefpapier herzustellen. Zwei Jahre darauf stellten der Zweitausendeins Versand und sein Papierlieferant Schneidersöhne aus dem sündhaft teuren Rohstoff (mit 50 Prozent Recyclingpapier) das erste Hanfpapier in Deutschland her.
Im vorigen Jahr brachte Schneidersöhne eine ganze Kollektion Hanfpapiere auf den deutschen Markt: feine Kunstdruck- und Edelpapiere, bei denen der hohe Rohstoffpreis nicht so durchschlägt wie bei Massenpapieren. Auch taz-Geschäftsführer Kalle Ruch erkundigte sich: „Wann können wir die taz auf Hanfpapier drucken?“ Der Stand der Dinge war 1994 noch nicht sehr erfolgversprechend: Technisch wäre die Hanf-taz schon damals sofort möglich gewesen. Allerdings hätte ein Exemplar aufgrund der hohen Materialkosten einen Verkaufspreis von 5 Mark haben müssen.
Heute sieht das ganz anders aus: Schon im Okotber 1996 könnte die erste baumfreie taz „homegrown in Brandenburg“ erscheinen – und sie müßte keinen Pfennig mehr kosten. Möglich wird dies durch ein in Holland entwickeltes Verfahren zur Hanfzellstoffproduktion, das die Kosten von derzeit 3.500 Mark pro Tonne auf rund 750 Mark senkt. Damit wäre Hanf auch unter ökonomischen Aspekten in jeder Hinsicht konkurrenzfähig.
Das neue Verfahren benötigt weitaus weniger Chemikalien und Energie als die Holzpapierherstellung – und das Papier hat eine bessere Qualität. Die taz aus Hanf würde zum Beispiel nicht mehr vergilben, wie sie es sonst, wegen des Ligningehalts im Holz, schon nach wenigen Tagen tut. Voraussetzungen für ein solches Projekt sind die Anbaumöglichkeit für Hanfpflanzen in Deutschland und die Errichtung einer entsprechenden Anlage.
Um die Finanzierung einer einer Modellanlage zur Zellstoffproduktion auf die Beine zu stellen, bedarf es der vorhergehenden Abnahmegarantie von Großkunden. Die ökonomischen und ökologischen Vorteile von Hanfpapier dürften problemlos die potentiellen Abnehmer überzeugen. Motto: Es gibt viel zu tun, pflanzen wir's an! Mathias Bröckers
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