■ Bonn apart: Sparsames Wissen
„Sparen“ ist das derzeitige Zauberwort der Politiker, mit dem sich anscheinend Probleme in nichts auflösen. Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) schnippelt fleißig am sozialen Netz, und auch Innenminister Manfred Kanther läßt seiner sparsamen Phantasie freien Lauf. Dabei ist ein Bericht zur Reduzierung staatlicher Statistiken herausgekommen. An die 200 Statistiken pro Jahr erstellt allein das Statistische Landesamt Nordrhein-Westfalen. Zusammen mit den Zahlenkolonnen der Pendants in den 15 weiteren Bundesländern kommt man da auf einen ganz schönen Batzen an Statistiken. Der sorgfältigen Zahlensammelei verdanken wir so existentielle Fakten wie die Zahl der deutschen ChorsängerInnen: Stolze 1,8 Millionen Menschen frönen gemeinsam der Sangeslust! Was, das interessiert Sie überhaupt nicht? Für die Liederbücher-Industrie ist das ein echter Produktionseckwert. Und wenn die Statistiker verkünden, daß Verheiratete weniger rauchen als Geschiedene, dann ist das für Marlboro und Co. ein schwerer Schlag.
Je mehr Statistiken gestrichen werden, desto desinformierter wird die Gesellschaft, meinen die Statistiker. Es sei grundfalsch anzunehmen, daß durch eingesparte Statistiken auch Geld eingespart werde: „Wer auf statistische Informationen verzichtet, der riskiert, daß Steuergelder verschwendet, Fehlentwicklungen zu spät erkannt und Zukunftschancen verspielt werden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung aller bundesdeutschen Statistikämter. Im saarländischen Landesamt formuliert man das so: „Wer auf eine ungenaue Straßenkarte angewiesen ist, verfährt doch viel mehr Sprit als nötig“.
Vielleicht geht es aber auch gar nicht so sehr ums Geld als ums Geheimhalten unangenehmer Tatsachen. Das argwöhnt jedenfalls Heidi Wieczorek- Zeul (SPD), in deren Wahlkreis das Statistische Bundesamt liegt: „Unangenehme Fakten verlangen politisches Handeln. Die Bundesregierung würde doch am liebsten die Arbeitslosenstatistik streichen.“
Auf welchen Gebieten künftig weniger Erhebungen gemacht werden sollen, das konnte der Parlamentarische Staatssekretär Horst Waffenschmidt (CDU) auf Nachfrage der SPD Mitte Februar nicht sagen. Und auch jetzt ist die Prüfung, in welchen Sachbereichen Statistiken eingestellt werden könnten, noch „ohne jedes Ergebnis“. Kirstin Hausen
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