■ Export-Solidarität I: Milde Gaben nützen nur im eigenen Land
Wer sich kritisch gegenüber Solidaritätsbewegungen äußert, gerät leicht in den Geruch der Herzlosigkeit; gemeinhin kommen Anwürfe ja auch eher von der politischen Rechten. Aber gerade deshalb sollte die Linke nicht nur im Stillen darüber nachdenken, sondern laut diskutieren, was man mit solchen Bewegungen anstellt. Lassen wir außen vor, wie oft die Hilfe in dunklen Kanälen versickert ist, und wie häufig wir auf falsche Pferde gesetzt haben – etwa in Argentinien oder Bolivien, aber auch in Somalia oder Zentralafrika. Oder im Kampf gegen die Apartheid in Südafrika: In der Opposition hervorragende Frauen und Männer wurden zu Despoten, sobald sie an der Macht waren; siehe Winny Mandela. Manchmal versickerte das Geld der Solidaritätshilfe selbst bei den Leidgeplagten spurlos.
Was mich am meisten stört und mich dazu gebracht hat, nach mehr als einem Jahrzehnt Engagement in gut zwanzig italienischen Soli-Komitees aufzuhören und keine Lira mehr zu spenden, ist folgendes: Meistens wissen wir nicht einmal, was die Leute brauchen, denen wir helfen wollen. Wir wissen nur, daß sie leiden. Und dann schicken wir ihnen warme Unterwäsche, Medikamente, Babynahrung und Bulldozer, weil wir selbst glauben, daß es ohne das nicht geht. Ich würde gerne wissen, ob wir mit der gespendeten Trockenmilch Leben gerettet oder – wegen falscher Anwendung – eher mehr Kinder getötet haben. Sind mehr Bulldozer für ihren eigentlichen Zweck benutzt worden, oder sind sie zu Abschußrampen für Raketen umgebaut worden? Jedenfalls haben wir nur den allerwenigsten zur Weiterentwicklung verholfen. Wir haben sie an unseren Tropf gehängt und sie von uns abhängig gemacht. Und wie oft ist unsere Hilfe eigennützigen Motiven entsprungen – nicht nur geschäftlichem Interesse? Das Helfersyndrom läßt grüßen.
Die von uns propagierte Export-Solidarität, die davon ausgeht, daß man durch milde Gaben oder feine Hinweise auf Entwicklungsmöglichkeiten im fremden Land etwas ausrichten könne, ist danebengegangen. Hilfe ist nur im eigenen Land möglich, zum Beispiel durch eine bessere Immigrationspolitik, oder indem wir Menschen aus notleidenden Ländern bei uns die Möglichkeit geben, Fabriken und Dienstleistungszentren aufzubauen, die ausschließlich ihrem Land zugute kommen. Doch da ist wahrscheinlich wieder unser Eigennutz vor. Genau dies aber wäre eine Nagelprobe für wirkliche Solidarität. Ezio Mazzucco
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen