piwik no script img

Depressiv an Ostern?

■ Vor allem geschiedene Männer geraten in Krisen, Frauen organisieren sich was

Depressiv an Ostern? Wenn die Vögel zwitschern und alles sprießt und sproßt! Sowas kann sich Pastor Peter Bick, Sprecher der Bremischen Evangelischen Kirche, nicht vorstellen. Sicher, an Weihnachten, da kommt die Sehnsucht hoch nach Früherem, nach den Anfängen der Biographie, als die Brüche noch nicht so klafften. Aber an Ostern? „Das ist doch ein Freudenfest, da entsteht Leben aus dem Tod. Da muß man schon ziemlich renitent depressiv sein, um an die Leitplanke zu geraten.“ Außerdem mache die Kirche so viele Angebote, allein die Konzerte an Karfreitag und die Osterfrühstücke, „diese Verdichtung der Traurigkeit und dann die Befreiung daraus, das ist doch ein wunderbarer Vorgang“.

Doch was, wenn man einfach nicht die Kraft hat, rauszugehen, die ganzen vier Tage lang? Vor allem frisch getrennte Männer fallen zu Ostern in ein tiefes Loch, weiß der Psychotherapeut Magnus Vorwold vom Männertherapiezentrum. Deswegen hat das Männertherapiezentrum rund um das „Familienfest“ Ostern ein Krisentelefon eingerichtet: Tel. 445661, täglich bis zum 21.4. zwischen 12 und 14 Uhr. Auch bei der Telefonseelsorge der Bremischen Evangelischen Kirche (rund um die Uhr Tel. 11101) rufen über Ostern besonders diejenigen an, die keine Erfahrung mit dem Alleinsein haben, zum Beispiel frisch geschiedene Männer. Menschen dagegen, die wissen, daß sie mit der Einsamkeit schwer zurecht kommen, organisieren sich rechtzeitig ein Programm für die kritischen Zeiten, weiß Jürgen Bartholdi, Leiter der Telefonseelsorge der Bremischen Evangelischen Kirche. Gerade alleinstehende Frauen kümmerten sich da besonders drum.

Und was spielt sich an den vier langen freien Tagen in den Familien ab, wo man zwar nicht einsam ist, aber aufeinander hockt? „Na ja“, sagt Brigitte Berauer vom Kinderschutz-Zentrum, „die Familie ist zwar zusammen, aber es fallen ja auch einige Streßfaktoren weg: Der Mann muß nicht arbeiten, die Kinder müssen nicht zur Schule, also gibt es keinen Streit ums Ins-Bett-Gehen oder die Hausaufgaben.“ Der Ostersamstag sei sowieso eher kein Problemtag: Da wird das Auto gewaschen, da wird nochmal eingekauft, so ist jeder mit Vorbereitungen beschäftigt, und die Kinder benehmen sich, weil sie auf Geschenke hoffen, es herrscht also „freudige Anspannung“. Und der Sonntag mit dem nachfolgenden weiteren Feiertag? Vorteil von Ostern: Die Familien machen längst nicht so wie an Weihnachten auf Kleinfamilie, sie öffnen sich mehr, Besuch kommt, und vor Besuch reißt man sich zusammen, sagt Brigitte Berauer. Außerdem ist das Wetter besser, man kann also rausgehen. Deshalb ist das Kinderschutztelefon an Ostern nicht besetzt, erst wieder ab Dienstag 11-13 und 15-17 Uhr, Tel. 700037. Dennoch, vier Tage von morgens bis abends zusammen, das muß auch überstanden werden. Eltern sollten rechtzeitig zusammen mit den Kindern überlegen, wann die Kinder was alleine machen, damit die Eltern auch mal bißchen Ruhe haben, rät Brigitte Berauer. „Und, auch wenn's regnet, die Kinder mal 'ne Stunde lüften.“ cis

Entspannen in der Kirche: Osternachtfeiern zum Beispiel Samstag 22 Uhr in der Martin-Luther-Gemeinde Findorff, oder, mit anschließendem Ostersfrühstück, am Sonntag um 5 Uhr in St. Ansgarii und um 5.30 Uhr am Sonntag in der Friedensgemeinde Humboldstraße. Musik und Texte zur Passion am Donnerstag, 19 Uhr, im St. Petri Dom, meditative Orgelmusik am Freitag, 17 Uhr, in der Martin-Luther-Kirche in Findorff, Orgelvesper am Samstag, 18 Uhr, in der Unser Lieben Frauen Kirche, Orgelmusik am Sonntag, 17 Uhr, in der Wilhadi-Kirche, Steffensweg 89. Weitere kirchliche Angebote siehe Wochenprogramm morgen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen