: Ein halbes Beispiel
■ Ausstellung über Wilhelm Krützfeld, den Retter der Neuen Synagoge in der Pogromnacht
Wenn er die gestrige Ehrung noch erlebt hätte, hätte Wilhelm Krützfeld womöglich bescheiden abgewinkt: „Ich habe doch nur meine Pflicht getan.“ Der einstige Vorsteher des 16. Polizeireviers in Mitte hat zeitlebens nie viel Aufhebens von seinen Taten gemacht, berühmt wurde er erst posthum durch das Buch „Der beherzte Reviervorsteher“ von Heinz Knobloch. Den 1953 verstorbenen Retter der Neuen Synagoge ehrt löblicherweise nun auch die Polizei. Bei der gestrigen Eröffnung der kleinen Ausstellung in der Polizeihistorischen Sammlung am Platz der Luftbrücke 6 nannte ihn Polizeipräsident Hagen Saberschinsky ein „Vorbild“ für jeden Polizisten. Wenn alle so gehandelt hätten wie er, wäre uns allen „das düsterste Kapitel deutscher Geschichte erspart geblieben“. Wie wahr.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstörten SA- Banden die meisten jüdischen Geschäfte und Synagogen Berlins. Auch in der Trauhalle der größten und schönsten, der in Krützfelds Revier gelegenen Neuen Synagoge, brannte es bereits lichterloh. Doch trotz des Befehls von SS- Führer Heydrich, „daß die stattfindenden Demonstrationen von der Polizei nicht zu verhindern seien“, verjagte der preußisch korrekte Beamte Krützfeld die Brandstifter und ließ die Flammen von der Feuerwehr löschen.
Darüber hinaus rettete der deutschnational denkende Mann mehrere Juden in seinem Revier vor Verhaftung und Deportation. Wegen des verhinderten Brandes wurde er vom damaligen Polizeipräsidenten verwarnt, schließlich mehrfach versetzt und 1943 in den vorzeitigen Ruhestand entlassen.
Ein Beispiel dafür, daß Widerstand auch ohne Lebensgefahr möglich war? Ein halbes. Seine ähnlich denkenden Untergebenen, Polizeimeister Willi Steuk und Wachtmeister Trischak, wurden kurz vor Kriegsende von einem „Fliegenden Standgericht“ der NSDAP hingerichtet. Sie hatten sich gegen die Aufstellung einer „Volkssturm“-Gruppe gewehrt und verbluteten zusammengeschossen auf einer Verkehrsinsel am Hackeschen Markt. Ute Scheub
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