: „Njet“ und „no se“ – keiner weiß was
In Rußland und Spanien schalten die Behörden auf Durchzug, wenn sie nach dem Plutoniumschmuggel gefragt werden / Derweil telefonieren Kohl und Jelzin ■ Von Barbara Kerneck und Rainer Wandler
Moskau/Madrid (taz) – Zögernd und herablassend reagierte die Moskauer Öffentlichkeit gestern auf den Spiegel-Artikel, demzufolge der im August in München aufgeflogene Schmuggel einer angeblichen „Warenprobe“ nahezu waffenfähigen Plutoniums von Agenten des Bundesnachrichtendienstes inszeniert wurde. „Wenn der Spiegel so etwas schreibt, soll er dazu doch auch gleich selbst Pressekonferenzen organisieren“, teilte ein Sprecher der staatlichen Atominspektion „Cosatomnadsor“ auf die taz-Anfrage mit: „Wir haben damals im Spätsommer gleich gesagt, daß dieses Material nicht von uns ist. Wir baten auch um eine Probe davon, aber man gab uns nichts ab. Deshalb lagen die Schlüsse für uns auf der Hand.“ Der Sprecher des russischen Atomministeriums, Alexander Petzow, sagte, die russische Regierung habe von Anfang an hinter diesem Skandal ein abgekartetes Spiel ausländischer Geheimdienstkreise vermutet. Auch beim russischen Föderalen Gegenspionagedienst (FSK) weist man den Vorwurf zurück, das Plutonium – dessen Herkunft immer noch nicht geklärt ist – stamme aus Rußland. Der FSK-Sprecher zeigte aber ein gewisses Verständnis für die Methoden des BND und sprach sich für eine internationale Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten aus, um Atomschmuggel zu verhindern.
Gestern verlautete aus informierten Kreisen, die deutsche Botschaft und die Geschäftsstelle des BND in Moskau seien in dieser Frage bisher nicht eingeschaltet worden, es würden aber von Bonn aus Kontakte angebahnt. Auf die politische Ebene habe sich der Artikel bisher nicht ausgewirkt: unverdrossen telefonierten Bundeskanzler Kohl und Präsident Jelzin miteinander und besprachen die Feierlichkeiten zum 9. Mai.
Auch in Spanien nimmt man die Spiegel-Enthüllung gelassen auf. Im Außenministerium heißt es: „Eine Protestnote ist nicht vorgesehen.“ Was die beiden in diesem Zusammenhang in München in Untersuchungshaft sitzenden Spanier Javier Bengoetxea Arratibel und Julio Oroz angeht, verlasse man sich ganz auf die bundesdeutsche Justiz.
Die beiden, die sich zusammen mit dem Kolumbianer Justiniano Torres ab den 10. Mai vor dem Münchner Landgericht verantworten müssen, sind laut Spiegel vom BND hereingelegt worden. Die ganze Operation sei unter dem Decknamen „Hades“ von der deutschen Botschaft in Madrid aus eingefädelt worden. Peter Fischer- Hollweg, BND-Chef in Madrid, soll mit Hilfe des seit Jahren in Spanien lebenden deutschen Ex- Agenten Robert Kontakte zu spanischen Schmugglerkreisen hergestellt haben.
Die Operation wurde ohne das Wissen spanischer Stellen durchgeführt. Als Emilio Alonso Manglano im August letzten Jahres für die verhafteten Bengoetxea und Oroz interessierte, hat ihm der BND nur persönliche Informationen über die beiden Schmuggler mitgeteilt.
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