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Voller Angriff auf ein „positives Problem“

■ Nach dem 8:0 über Polen ist Bundestrainer Gero Bisanz klar, daß die deutschen Kickerinnen mit zu vielen Toremacherinnen im Team nicht Weltmeisterin werden

Potsdam (taz) – Die BundestrainerInnen Tina Theune-Meyer und Gero Bisanz haben ein Problem. Das heißt: kein Problem. Oder, wie Gero Bisanz es definiert, ein „positives Problem“. Es ist so: Der Juni und damit die WM in Schweden naht, der Kader steht so ziemlich und kann sich sehen lassen, wie unlängst mit dem EM-Titel bewiesen und am Mittwoch im Karl-Liebknecht-Stadion zu Babelsberg beim lockeren 8:0 über Testgegnerin Polen partiell nachgewiesen. Nun haben die Polinnen allerdings gerade mal ein gutes Dutzend einigermaßen fortgeschrittener Teams und sind erst dabei, den Sport zu etablieren. Womit die Erkenntnisse, die zu gewinnen waren, bescheiden und dazu von vagem Bestand sind. Wenn es demnächst gegen Qualitätsteams gehe, sagt Gero Bisanz, „und ich sechs, sieben Torjägerinnen habe, kann ich nicht alle spielen lassen.“ Tut er derzeit noch. Es stürmen Birgit Prinz (17), eine großgewachsene, kräftige, kopfballstarke, Verzeihung: Kampfmaschine, die ohne Pause wühlt, „Lücken schafft und auch Tore vorbereitet“ (Bisanz), was bei beiden Mohr-Treffern bewiesen ward. Dann ist da links Patricia Brocker, die im 26. Spiel ihren 26. Treffer erzielte, womit eigentlich alles gesagt ist. Nun hat frau es (zu) lange mit drei Stürmerinnen versucht, Bisanz erklärtem Lieblingsmodell, inzwischen ist aber auch der 59jährige zu „vorne zwei, dahinter zwei Halbspitzen“ übergegangen. Die Halbspitzen sind die diesmal abwesende Martina Voss (27) und Kapitänin Silvia Neid (30), deren Potsdamer 43. nationaler Treffer auch sie als Torlieferantin von Uwe- Seeler-Dimensionen ausweist.

Aber, und nun kommt's: Damit fehlen immer noch Plätze für die Rumelnerin Maren Meinert (21) und die ultimative Toremacherin Heidi Mohr (27). Letztere lassen die TrainerInnen gern auf der rechten Seite draußen rennen, wo sie jene technischen und körperlichen Schwächen, die ihr Bisanz vorzuhalten pflegt, „besser kompensieren“ könne. Andererseits ist sie draußen eben nicht da, wo sie hingehört, und, gibt Bisanz zu, „innen schon ganz wichtig“. Tatsächlich: Kaum hatte sie den Platz mit Prinz getauscht, waren auch schon Länderspieltore 66 und 67 gefallen.

Die begabteste deutsche Kickerin ist Maren Meinert. Für die pflegt Bisanz seit Jahren extra Platz zu schaffen. Die Ausnahmefußballerin ist ein Natur- und Bewegunstalent, das immer den Ball haben will, was für Bisanz ein „gutes Zeichen“ ist, andererseits Spieldefizite zur Folge hat, weil sie angeblich „zu oft überhastet abspielt“. Jedenfalls bestimmen immer weniger Neid, Voss und Mohr und immer mehr Meinert und Bettina Wiegmann (23), was wie abzulaufen hat. Was Bisanz gefällt, weil die Alten „schauen müssen, daß sie bis Atlanta im Team bleiben“, statt wie einst selbstverständlich aufzulaufen, und auch Wiegmann prima findet, „weil es zeigt, daß die Leistungsdichte stärker ist und jede eine Führungsrolle übernehmen kann“. Ist etwas untertrieben, eigentlich bestimmt qua Klasse längst die stille Brauweilerin, wie der Ball nach vorne zu bringen ist.

Immerhin ist die wenigstens keine Stürmerin, kann nach hinten arbeiten und tut es auch. Damit möglichst alle im Team bleiben, wird Bisanz in den verbleibenden Wochen bei Tests und speziell Ende Mai gegen die starken Chinesinnen schauen, ob etwa Meinert, „wenn sie den Ball verliert, es rechtzeitig zurückschafft“ oder die Lücken hinten zu groß werden. „Ich sehe“, sagt Bisanz, „die Maren am liebsten in der Spitze, die Birgit Prinz, auch die Heidi Mohr am liebsten in der Spitze.“ Das aber, sagt der erklärte Offensivfreund, „kann sich keiner erlauben.“ Was er nicht sagt: Die anderen hätten erst gar nicht die Möglichkeit. Peter Unfried

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