: Soziale Verkehrsordnung
■ Ausländerbeauftragte Barbara John fordert in Broschüre Antidiskriminierungsgesetze / Wegweisendes Urteil
Die Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John (CDU), macht sich für Antidiskriminierungsgesetze stark: „Stellen Sie sich vor, der Straßenverkehr wäre nur durch gutgemeinte Empfehlungen geregelt. Ein unvorstellbares Chaos wäre die Folge, auf der Straße würden sich nur noch panzerähnliche Fahrzeuge bewegen, um das Recht des Stärkeren durchzusetzen.“ [Aber genau so ist es doch, d.S.]
„Wie aber steht es um die soziale Verkehrsordnung?“ fragt sie in der Broschüre „Was tun gegen Diskriminierungen?“, die von ihrem Amt in diesen Tagen neu herausgegeben wurde. Frau John kommt dabei zu dem Schluß: „Die deutsche Gesetzgebung bietet viel zuwenig handhabbare Schutzvorschriften.“
„Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“. So erklingt zwar schön und klar der Artikel 3 des Grundgesetzes. Dennoch ist es in vielen Fällen völlig legal, Nichtdeutsche zu diskriminieren.
Vorrang für Deutsche
Um nur einige Beispiele zu nennen: Das Arbeitsamt stellt bevorzugt die eigenen Landsleute ein, Versicherungen verweigern ausländischen AutofahrerInnen den Versicherungsschutz, Asylsuchende werden bei der Sozialhilfe schlechter gestellt. Um gegen diese Mißstände vorgehen zu können, fordern vor allem grüne PolitikerInnen schon lange ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz. Barbara John hält es jedoch „für leichter durchsetzbar, wenn gezielt in einzelne Rechtsbereiche, etwa in das Versicherungsrecht, in das Gaststättenrecht, antidiskriminierende Vorschriften eingefügt werden“.
Dabei existiert in Berlin sogar schon eine Vorschrift, auf die sich Menschen berufen können, die wegen ihrer dunklen Haut- oder Haarfarbe nicht in Kneipen oder Discotheken hineingelassen werden. Laut Gaststättengesetz darf kein Wirt „unzuverlässig“ handeln, und in einer hiesigen Ausführungsvorschrift wird darunter auch die Zurückweisung von ausländischen Gästen verstanden.
Die Ausländerbeauftragte hält das aber für zu unspezifisch, zumal es hier noch keinen Fall gegeben habe, bei dem einem Kneipeninhaber deswegen die Schankerlaubnis entzogen worden wäre.
Auch gegen rassistische Sprüche können sich Betroffene oft nicht wehren. Die deutsche Strafjustiz scheint davon auszugehen, daß so etwas im feinen Deutschland nicht vorkommt, jedenfalls gibt es im ganzen dicken Strafgesetzbuch keinen Paragraphen, der rassistische Äußerungen unter Strafe stellt.
Allerdings hat ein Berliner Amtsgericht im Frühjahr 1994 zum ersten Mal in solch einem Fall den Paragraphen gegen Volksverhetzung angewandt und einen deutschen Mann verurteilt, der einer Türkin wiederholt ausländerfeindliche Pamphlete in den Briefkasten gesteckt hatte. „Das gibt Hoffnung“, schreibt Frau John.
Hoffen auf die EU
Hoffnung setzt sie aber auch auf die Europäische Union und die UNO. In den EU-Gremien gibt es inzwischen mehrere Anläufe, Gesetze gegen Rassendiskriminierungen zu erlassen. Außerdem hat der UN-Ausschuß zur Beseitigung der Rassendiskriminierung Deutschland bereits im August 1993 aufgefordert, ein Antidiskriminierungsgesetz zu erlassen.
Doch all diese Gesetzesinitiativen, die im Anhang der Broschüre im Wortlaut abgedruckt sind, harren seit Jahren der Verwirklichung. Wer beim langen Warten auf den Gesetzgeber nicht alt und grau werden will, dem oder der werden in dem Heft Tips mitgegeben, wie er oder sie sich dennoch wehren kann. Ute Scheub
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