: Ostermarsch soll weiter „aufrütteln“
■ Nur 300 Menschen beteiligten sich am Ostermarsch / DemonstrantInnen trotzdem zum Weitermachen entschlossen
Es ist nicht die Menge, die zählt. So dachten wohl viele der etwa 300 Teilnehmer des gestrigen Berliner Ostermarsches, die trotz strömenden Regens von der Littenstraße in Mitte zum Roten Rathaus zogen. Es war der kleine Funke Hoffnung, die Zuhausegebliebenen zu erreichen, der die wenigen Demonstranten motivierte.
Patrick und Marcus waren sogar mit dem Fünfzehn-Mark-Ticket der Bundesbahn eigens aus Essen angereist, um mit ihrem Transparent „Gestorben ohne Legitimation“ gegen Einsätze der Bundeswehr im Ausland zu demonstrieren. Grund: Beim letztjährigen Ostermarsch in Köln seien zu viele linksextremistische Gruppen gewesen. Solange kein Frieden auf der Welt herrsche, so Patrick, seien Ostermärsche nötig. „Man darf sich nicht auf den Lorbeeren der Friedensbewegung ausruhen“, fügte der Student Marcus hinzu. „Meine Umgebung kriegt mit, daß ich demonstriere“, sagte Patrick, „das löst vielleicht Diskussionen aus.“ Das war auch für Dagmar Giesecke Grund genug, auf die Straße zu gehen. Nach zweijähriger Abstinenz machte sich die 41jährige gestern mit ihrer 14jährigen Tochter wieder auf den Weg. „Man darf sich nicht ins Private zurückziehen“, sagte sie. Sie ist überzeugt, daß der Ostermarsch weiterhin „aufrütteln“ kann. Auch die bekannte Ostberliner Schauspielerin Käthe Reichel läßt sich durch die Jahr für Jahr geringer werdenden Teilnehmerzahlen nicht entmutigen. „Die Zeiten sind nicht so, daß der Ostermarsch einschläft“, sagte sie. Auch wenn nur wenige auf die Straße gingen, gebe es sehr viel mehr, die „jeden Tag mit ihren Gefühlen auf die Straße gehen“. Wenn die Daheimgebliebenen im Fernsehen die Plakate sehen, es in ihren Köpfen „dröhnt“ und sie darüber zu sprechen anfangen, sei schon etwas erreicht. Im Osten sei der „Mut für die Straße eben nicht so da“, sagte sie.
Mit Plakaten wie „Entweder wir schaffen die Rüstung ab, oder die Rüstung schafft uns ab“, „Keine deutschen Waffen gegen Kurden“, „Panzer zu Windrädern“ und einigen PDS- und DKP-Fahnen zog der kleine Demonstrationszug zum Roten Rathaus. Unter dem Motto „Bewegt Euch“ hatten die AG Ostermarsch, Friedens- und kirchliche Gruppen, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und Frauenvereine aufgerufen, um gegen Waffengeschäfte der Bundesrepublik, den türkischen Krieg gegen die Kurden im Nordirak und die Benachteiligung von Frauen zu demonstrieren. Der stellvertretende DGB-Vorsitzende von Berlin-Brandenburg, der sich schon im Vorfeld gegen die These gewandt hatte, daß der Ostermarsch ein überholtes Relikt der Friedensbewegung sei, rief auf der Abschlußkundgebung zu mehr Zivilcourage auf. „Wir brauchen mehr Mut, für den Frieden einzutreten“, sagte er.
Laura von Wimmersperg, Sprecherin der Friedensinitiative Wilmersdorf, hatte schon im Vorfeld des Ostermarsches daran gezweifelt, daß die erwarteten 5.000 Teilnehmer kommen würden. Schuld an der geringen Resonanz seien aber nicht allein fehlende Gelder zur Organisation. „Die Menschen sind deprimiert, sie sind außer Puste“, sagte sie. „Ich verstehe es, wenn die Leute abschwirren“, sagte von Wimmersperg, die seit fünfzehn Jahren bei den Ostermärschen dabei ist. Trotzdem ist sie sicher, daß es auch im nächsten Jahr noch einen Ostermarsch geben wird. Barbara Bollwahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen