Regie, Theater: Erfolge nebenher verbuchen
■ Die Breth – fast schon ein Mythos: Im Fischer Verlag ist eine Monographie über die perfektionistische Arbeit der 1952 geborenen Star-Regisseurin erschienen
Ihre Emotionalität und Intuition werden von allen Befragten bestätigt. Ihre Unbedingtheit, die die SchauspielerInnen an die Grenzen treibe und darüber hinaus. Nach lustvollen Probenzeiten klingt das nicht. Aber Lust charakterisiert die Inszenierungen im ganzen auch nicht, die Klaus Dermutz in seinem Buch über die 1952 geborene Regisseurin oft sehr detailliert beleuchtet. Andere Vokabeln passen besser: Intensität, Traumrealität, (Todes-) Sehnsucht, Flucht, Einsamkeit, Wahnsinn. Und Perfektionismus. Über die Inszenierung von Shakespeares „Was ihr wollt“ in Bochum 1989, die „vom Publikum bedingungslos geliebt wurde“, sagt Andrea Breth: „Man verbucht einen Erfolg und will einen Entschuldigungsbrief an Shakespeare schreiben.“
Höher als Andrea Breth hat keine Frau im bundesdeutschen Theater die Karriereleiter erklommen. Es gibt andere, meist jüngere Regisseurinnen – Konstanze Lauterbach oder Karin Beier. Aber die Breth ist fast schon ein Mythos, mit 34 Inszenierungen seit 1975. Von Freiburg wechselte sie 1986 nach Bochum, 1990 bis 1992 war sie Mit- Direktorin des Wiener Burgtheaters, dann wurde sie künstlerische Leiterin der Berliner Schaubühne, seit letztem Jahr auch Professorin für Regie an der Schauspielschule „Ernst Busch“. Man sagt ihr eine Gnadenlosigkeit im Umgang mit Ensemble und MitarbeiterInnen nach wie weiland Fritz Kortner. Heulende HospitantInnen sind das mindeste. Aber was man dann auf der Bühne sieht, „Der einsame Weg“ von Schnitzler 1991, Gorkis „Nachtasyl“ oder Ibsens „Hedda Gabler“, ist auch oft vollendet.
Die Schaubühne ist für Breth kein Zuckerschlecken, wie sie kürzlich auch in einem Spiegel-Interview (10/1995) sagte – was ja auch kein Geheimnis ist. Der Schatten Peter Steins hängt noch immer über dem Haus und seinem Ensemble, obwohl sie dieses mit „eigenen“ SchauspielerInnen wie Andrea Clausen oder Ulrich Matthes stark durchmischt hat. Bei ihrem Amtsantritt platzte ein „Faust“-Projekt Steins, das die gesamte Kraft des Hauses ein Jahr lang in Anspruch genommen hätte. Daß sie vorschlug, ihre Stelle deswegen später anzutreten, kreidete ihr Stein als Erpressungsversuch an. Jetzt ist die Verbindung zwischen ihm und der Schaubühne abgeschnitten und die Stein-Verehrerin Breth muß dagegen anspielen. Den SchauspielerInnen wirft sie Risikolosigkeit vor, in nächster Zukunft will sie das Ensemble verjüngen.
Andrea Breth hält sich von der Öffentlichkeit fern. Nach außen vertritt der Direktor Jürgen Schitthelm die Schaubühne. Eine Publikation über Breth in der arbeitsorientierten „Regie im Theater“-Reihe entspricht ihr daher eher als etwa ein Persönlichkeitsportrait. Wie üblich bilden Interviews mit SchauspielerInnen (Traugott Buhre, Andrea Clausen, Wolfgang Michael), und MitarbeiterInnen (Bühnenbildner Gisbert Jäkel, Tonmeister Christian Venghaus) die Grundlage, einführend beschreibt der Theaterkritiker Dermutz Breths Inszenierungen motivisch in einer kurzen Monographie, im Zentrum steht ein Gespräch mit der Regisseurin selbst.
Da wird sie als Triebtäterin kenntlich, als „Süchtige nach der zweiten Wirklichkeit“, wie Willi Schmidt das einst nannte. Aber auch eine charmante Wurstigkeit wird deutlich, wenn sie über ihr Bedürfnis nach Kontinuität spricht und sich als „verblödetes Familientier“ bezeichnet. Und auf die Frage, was Theater für sie bedeute, sagt sie: „Das Theater ist ein Ort, an dem der Zynismus nichts verloren hat.“ Ein genialischer und anachronistischer Charakter. peko
Klaus Dermutz: „Andrea Breth“. Reihe Regie im Theater, Fischer Verlag, 139 Seiten, 19,90 DM.
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