: Der Krieg gegen die Fische
■ Die Fischerei bedroht die Weltmeere als größtes Öko-System / Abhilfe nur durch Subventionskürzungen
Hamburg (taz) – Mit brachialer Gewalt pflügen die Eisengewichte an den Baumkurren der idyllischen deutschen Küstenkutter den Wattboden um. Mit Gründlichkeit vernichten die Küstenfischer in Südostasien die Mangrovenwälder in ihren Flußdeltas, um Shrimpsfarmen anzulegen. Mit Netzen von bis zu 20 Kilometer Länge und mehreren Kilometer Tiefe, mit bis zu 50 Kilometer langen Leinen, an denen Zehntausende von Haken hängen, machen sich die Hochseefischer auf die Jagd nach den letzten Fischreserven der Welt. Und mit abenteuerlicher Geschwindigkeit breiten sich neue Fischkrankheiten aus – zum Beispiel eine geheimnisvolle Lachspest. Diese wird vermutlich gefördert durch die norwegischen Lachsfarmen und sorgt bei Wissenschaftlern und Aquafarmern für wachsende Beunruhigung.
Es ist, als ob die Jäger mit Maschinengewehren und Motorsägen auf die Hirschjagd zögen. Rinderpest, Massentierhaltung, Butterberge, Brandrodung – die Umstände und Begleiterscheinungen der industriellen Erzeugung von tierischem Eiweiß lassen sich heute auch bei der Jagd nach der größten natürlich wachsenden Reserve tierischen Eiweißes, den Fischen, Krabben und Muscheln, beobachten.
Rund 50 Millionen Menschen beteiligen sich weltweit direkt an diesem Raubbau, der in seiner Radikalität vielleicht nur der Brandrodung in den Regenwäldern vergleichbar ist. Die Verschleuderung des kostbaren Fisches kennt keine Schamgrenzen: 40 Prozent werden nach dem Fang gleich über Bord gekippt – tot. Von den restlichen 60 Prozent wandert ein Drittel in die Fischmehlproduktion – etwa zur Verfütterung an Hühner.
Holte sich die Menschheit 1948 gerade mal 20 Millionen Tonnen Fisch aus dem Meer, so waren es 1988 bereits 80 Millionen Tonnen. Damit ist nicht nur nach Auffassung der Wissenschaftler die Grenze zur Plünderung endgültig überschritten. Seit Beginn der 90er Jahre gehen trotz eines immer höheren Aufwandes die Fischerträge zurück. Heute sind nach Schätzung der Welternährungsorganisation FAO 70 Prozent der Fischbestände weltweit überfischt. Auch die ökonomische Situation der Fischer ist dramatisch: Die Erzeugerpreise sind im Keller, obwohl oder weil weltweit jährlich 57 Milliarden Dollar Subventionen in die Fischerei fließen, deren Gesamtproduktionswert mit 48 Milliarden Dollar sogar noch darunter liegt. Arbeitslosigkeit und Betriebspleiten grassieren in den traditionellen Fischereiregionen. Das Ergebnis: noch brutaleres Fischen.
Siegfried Ehrich von der Bundesforschungsanstalt für Fischerei (BFA) meint dazu trocken: „Ökologisches Fischen ist ökonomisch unmöglich.“ Bei Preisen von 2 bis 2,50 Mark für das Kilo Seefisch müßten die Fischer zur kurzfristigen ökonomischen Selbsterhaltung alles nehmen, was sie kriegen können. Bitter kommentiert Ehrich auch die Jagd nach Sündenböcken in den Medien: „Es gibt heute keine wesentlichen Unterschiede. All das, was die Kanadier den Spaniern an verbotenen Fangmethoden vorwerfen, ist auf der deutschen wie auf allen anderen Fischfangflotten seit Jahren Alltag.“ Also fordert Professor Gerd Hubold, Chef des BFA: „Die Flotte muß schrumpfen!“ Ohne ein Ende der Fischereisubvention und gezielte Abwrackaktionen sei der ökonomische Druck auf die Weltmeere kaum zu lindern.
Auch Peter Pueschel, Weltmeerexperte von Greenpeace, räumt ein, daß internationale Abmachungen und bessere Kontrollen, wie von Greenpeace gefordert, das Problem nicht an der Wurzel packen können. Selbst die Satellitenortung von Fischereischiffen und Fahrtenschreiber, wie derzeit von der EU erprobt, wären nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zum ökologisch verträglichen „nachhaltigen Fischen“, das selbst die Eurokraten in Brüssel sonntagsredenmäßig anstreben. „Der einfachste Weg wäre statt dessen wohl: hohe Energiesteuern – sie machen der Fernfischerei den Garaus – und ein Ende der Agrar- und Fischereisubventionen. Höhere Fleischpreise kommen bei höheren Energiepreisen und Subventionskürzungen von allein, treiben auch die Fischpreise nach oben und helfen so, Ökonomie und Ökologie zu versöhnen.“ Florian Marten
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