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Falscher Liberianer? Lieber nach Lagos

■ Die 1. Abschiebung eines Liberianers „mißlang“: „Ich bin Nigerianer“

Er wurde Mathew Odeh genannt und galt als liberianischer Staatsbürger, als er, von zwei Grenzschutzbeamten bewacht, am Dienstag in den Flieger nach Konakry (im westafrikanischen Guinea) stieg. Von dort aus sollte Odeh zurück ins Nachbarland Liberia expediert werden. In die vermeintliche Heimat. Wäre das gelungen, wäre er der erste liberianische Flüchtling gewesen, der aus Bremen ins Bürgerkriegsland Liberia abgeschoben wurde, seit der Abschiebestopp auslief.

Doch die Unternehmung mißlang, obwohl alle Details geklärt schienen: Die guineische Regierung hatte Zustimmung in der Abschiebesache signalisiert, und Mathew Odeh gehörte sogar zu den wenigen Personen, denen die liberianische Botschaft in Bonn die Staatsangehörigkeit „liberianisch“ überhaupt bestätigte. „Hätte der Botschafter das nicht getan, hätten wir der Abstimmung nicht zugestimmt“, nennt Merve Pagenhardt vom Innenressort die Bedingung, unter denen der Abschiebung zugestimmt worden war. Denn Mathew Odeh verfügte bei seiner Ankunft in Deutschland über keinen Paß. Das Ersatzdokument aber, das ihm von der deutschen Behörde nur nach seinen unüberprüfbaren Angaben ausgestellt werden kann, verpflichtet das angegebene Heimatland nicht dazu, ihn auch einreisen zu lassen. Das hätte bedeuten können, daß Odeh nach langer Reise (denn Direktflüge aus Europa sind nach Monrovia bis heute unmöglich), doch wieder in Bremen gelandet wäre.

Soweit aber kam es nicht: „Odeh erklärte seinen Begleitern, daß er Nigerianer ist“. Das erfuhr der Leiter des Bremer Ausländeramtes, Dieter Trappmann, während die nigerianische Botschaft ihrem Landsmann schon die Einreise nach Lagos gestattete.

Für Dieter Trappmann ist der Fall klar: „Der wollte auf keinen Fall nach Liberia“. Nach kurzem Zögern setzt er hinzu: „Der wollte in seine Heimat Nigeria“. Warum Mathew Odeh das erst am Dienstag einfiel, weiß niemand. „Da will ich nicht spekulieren“, sagt auch Merve Pagenhard. Unumstritten ist, daß Odeh seit Monaten zur Fahndung ausgeschrieben stand und daß Strafverfahren gegen ihn anhängig waren.

„Wir kannten Odeh nicht“, sagt Michaela von Freyhold, eine Sprecherin der Flüchtlingsinitiative Schildstraße. „Aber wir kennen andere, von denen wir sicher wissen, daß sie aus Liberia kommen. Es wäre fatal, wenn die abgeschoben würden. Wir haben der Ausländerbehörde schon lange vorgeschlagen, im „bona-fide“ Verfahren wenigstens unzweifelhafte Fälle hier zu dulden.“

Für die Duldung liberianischer Flüchtlinge sprach sich gestern auch die bundesweite Arbeitsgruppe „Pro Asyl“ aus: Vor kurzem wurde ein Massaker in dem liberianischen Ort Yosi bekannt. Selbst in der von deutschen Behörden als „sicher“ eingestuften Hauptstadt Monrovia herrsche generelle Gesetzlosigkeit, über 100.000 ZivilistInnen starben durch den Bürgerkrieg. ede

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