: Italiens Ex-Publikumsliebling auf Abwegen
■ Der ehemalige Staatsanwalt und zukünftige Politiker Di Pietro, der sich im Kampf gegen die Korruption einen Namen machte, stolpert immer wieder über sich selbst
Rom (taz) – Sein Gesicht hat das Lächeln verloren. Seine öffentlichen Erklärungen, früher fließend und mit Esprit, holpern bitter, und selbst an der Seite seiner Lebensgefährtin kommt ihm kaum mehr jener Ausdruck um die Augen, den die Italiener so lieben, daß sie ihn für ausnahmslos jedes Amt (sogar das des Fußballnationaltrainers) einsetzen würden. Antonio Di Pietro, 45jähriges Hätschelkind der italienischen Nation, seit er vor gut drei Jahren mit den Aufräumarbeiten im Parteiensumpf begann, steckt ohne allen Zweifel in einer schweren Krise.
So soll – jüngster Vorwurf – der einst bewunderte Anti-Korruptions-Ermittlungsrichter nun nach den Behauptungen eines der Verteidiger im Schmiergeldprozeß gegen hohe Beamte der Finanzpolizei während der Vernehmungen mit unzulässigen Begünstigungen gelockt haben, wenn die Angeschuldigten den zeitweiligen Regierungschef und Medienmogul Silvio Berlusconi belasten würden. Di Pietro hat zwar sofort mit Strafanzeige wegen Verleumdung reagiert, doch allmählich wird die Belastung offenbar doch zu viel für ihn. Es häufen sich mittlerweile Berichte über Unachtsamkeiten, Fehler und taktische Unklugheiten in seiner Arbeit. „Die größte Belastung für ihn“, meint sein Freund und Gönner Francesco Cossiga, ehemals Staatspräsident, „ist derzeit er selbst.“
Tatsächlich ist „Tonino“ Di Pietro auf dem besten Weg, sein Image selbst zu zerstören. Meist sind es impulsive Handlungen, die ihm schaden, mitunter wohl auch eine gewisse Naivität. Immer wieder erklärt er, daß er trotz seines Rückzugs aus der Justiz nicht in die Politik einsteigen wolle – trotz all der Verlockungen von rechts und von links, wo ihm tagtäglich hohe Posten angeboten werden. Doch dann sagt er in immer neuen Leitartikeln und Kommentaren bei der industrienahen La Stampa wie bei der linksliberalen La Repubblica unentwegt seine Meinung zu politischen Vorgängen – für einen gewachsenen Journalisten selbstverständlich, für einen im Ärger aus der Justiz geschiedenen Ex-Staatsanwalt aber so ungewöhnlich, daß natürlich jeder dahinter politische Absichten vermutet.
Dann wieder bringt sein vorheriger Intimfeind Berlusconi die Geschichte von einem Geheimtreffen mit ihm in die Öffentlichkeit, in dessen Verlauf Di Pietro sich negativ über die Mitglieder der Anti-Korruptions-Sonderkommission „Mani pulite“ ausgelassen und erklärt haben soll, er habe seinerzeit Ermittlungen gegen Berlusconi mißbilligt. Di Pietro dementierte die Äußerungen, nicht aber die Tatsache des Treffens, was seine früheren Kollegen so gegen ihn aufbrachte, daß er sie tagelang beschwichtigen und zu einem Versöhnungsessen einladen mußte.
Doch Berlusconi grinst nur über das Dementi und behauptet, alle Manöver gegen Di Pietro – auch die juristischen – seien von der Linken lanciert, weil sich der Ex- Staatsanwalt nach rechts orientiere. Tatsächlich läuft die Delegitimierungskampagne jedoch eher über die rechte Schiene: Sollte sich Di Pietro dem „moderaten Pool“ zur Verfügung stellen, wäre nicht nur Berlusconis Führerschaft dort perdu, sondern auch das Bündnis der Rechten mit der äußersten Rechten. Gianfranco Fini von der neofaschistischen „Nationalen Allianz“ hat daher bereits Pflöcke eingeschlagen: Sollte Di Pietro in der Politik auftreten, sei er allenfalls als Minister, nicht aber als Regierungschef denkbar.
Das freilich will der Ex-Staatsanwalt sowieso nicht – er hat wohl ein ganz anderes Ziel. Er möchte sich als Kandidat für das Amt des Staatspräsidenten zur Verfügung halten. Nur so könnte er sich aus dem Parteiengewusel, das er ja mit abzuschaffen versucht hatte, herauswinden und sich als Garant für einen honetten Weg in ein neues Italien präsentieren. Ob er dazu imstande wäre, bezweifeln freilich auch seine Freunde. „Könnte ihm gehen wie Polens Lech Walesa“, sagt ein früherer Kollege. „Und das sollten wir ihm ersparen – und uns.“ Werner Raith
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen