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Berliner TagebuchDie Leute glauben alles

■ Berlin vor der Befreiung: 21. April 1945

Foto: J. Chaldej / Voller Ernst

Am Samstag: kein Strom, kein Telefon, und als Zeitung mit Mühe ergattert nur ein „12 Uhr Blatt“, aus dem ich ersah, daß wir alle kämpfen, und daß ich hingerichtet werde, wenn ich Gas verbrauche. Nachmittags kam Herr Mietusch (ein Stock unter mir), der seit Freitag aktiv beim Volkssturm war, und sagte, Goebbels habe nochmals eine Rede gehalten; heute abend ab 8 Uhr sei Artilleriebeschuß; man müsse in den Keller gehen, Lebensmittel mitnehmen, da man vielleicht über Nacht bleiben müsse. Dasselbe sagte auch der Luftschutzwart, der Anordnungen treffen kann. Es war übrigens auch schon den ganzen Tag in der Ferne Artillerie zu hören gewesen. Ich sagte: Das ist doch Unsinn. Woher will der Goebbels wissen, wann die Russen schießen; außerdem geht es noch nicht gerade in die Wundtstraße; ich gehe erst in den Keller, wenn der erste Schuß in meine Wohnung gefallen ist. Aber die Leute glauben alles, folgen wie die Hammel und denken überhaupt nicht daran, sich die Möglichkeiten vernünftig zu überlegen.

Der Keller war in dieser Nacht überfüllt. Ich war gemütlich in meinem Bett. Die übrige Wohnung war nicht verdunkelt, da doch kein Licht war; bei den hellen Nächten findet man sich ganz schön zurecht. Mein Bett war in den letzten Nächten wie ein kleiner Haushalt; alles, was ich im Fall eines Angriffs schnell anziehen wollte, lag griffbereit, rechts auf einem Hocker das Radio, links Nachttisch mit Kerze und die Biographie von Peake-Pasha, die ich grad lese. Margret Boveri

Die Journalistin Margret Boveri (1900-1975) arbeitete für die Zeitung „Das Reich“, schrieb dort noch am 22. 4. 45 „Ein Feind Deutschlands – Zum Tode Roosevelts“.

Recherche: Jürgen Karwelat

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