Sanssouci: Vorschlag
■ Und alle singen mit: Die Lonely Husband im Café Schalotte
Die Horrorvision jedes Entertainers ist ein nur zu einem Achtel gefüllter Saal. Wer so ein Publikum in Stimmung bringt, muß zu Höherem berufen sein. Gute Aussichten also für die Lonely Husband. Nach nur 100 Minuten sangen die paar verstreuten Zuschauer schon aus voller Kehle sieben Strophen des ländlichen Kanons „Hejo, spann den Wagen an“ – nicht ohne vorher noch als „Gesangsübung“ Sirenen, Kühe und Hummeln nachzuahmen. Vier Jahre lang begleitete die Band die Shows im Chamäleon Varieté. Der erste Alleingang der singenden Ehemänner kommt glücklicherweise „garantiert ohne Jonglage“ aus, verbindet aber sonst die entlegensten Künste: Slapstick, Simultanübersetzung, Hafenrundfahrtsvortrag und manuellen Steptanz. Und natürlich Musik, Musik, Musik.
Auf der Bühne stehen neben Schlagzeug und Klavier ein halbes Dutzend Gitarren, zwei Saxophone, Jazztrompete, Didgeridoo, Akkordeon und ein ganzer Korb mit Blockflöten, Marimbaphon und ähnlichem Kleinzeug. Das ganze Arsenal kommt bei den vielfältigen Variationen über das Thema „Mein Hund kackt in die Ecken“ zum Einsatz. Aber die Klangfarbenfreude der Musiker entdeckt noch ganz andere Instrumente. Mit Lippen und Fingern erzeugen sie täuschend echtes Mandolinengezirp, durch Reiben, Klopfen und Anpusten der Mikrophone ein kleines Geräuschkonzert. Im Sauseschritt tanzen „Die Lonely Husband“ durch die Genres: von Rock zu Rap, vom Jazz zum Sprechkonzert, von der Schnulze zum Genäsel. Zwischendurch singen sie als arg verkalkte Fab Three aus Liverpool den Text von „Yesterday“ auf die Melodie von „Yellow Submarine“. Paßt gar nicht mal so schlecht.
Kein Komikertrio kommt ohne Typen aus. Stevie (Stevie Mazoschek) gibt den eitlen Anführer der Band, Enrico Blondini (Marcello Castronari) den Sensiblen, der Pianist und Schlagzeuger Herr Fachblatt (Ulrich Beckers) den griesgrämigen Umstandskrämer. Seine 50er-Frisur glänzt pomadig, unter den ausgelassenen Hosen blitzen rentnerfleischfarbene Socken. Herr Fachblatt hat immer viel Kluges anzumerken und arbeitet ehrenamtlich in der „Gesellschaft für bedrohte Instrumente“ – für die er unter anderem einen NS-Film über das Zureiten junger Hörner und Saxophone ausgegraben hat. Das Trio präsentiert am 3. Mai, zusammen mit Martin Quilitz und dem blonden Emil, schon die nächste Produktion: Die „Schön blöd Show“. Ein volles Haus hätten sie schon jetzt verdient. Miriam Hoffmeyer
Bis 29. 4., Di.–Sa., Uhr, Cafétheater Schalotte, Behaimstraße 22, Charlottenburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen