: Der Peso ist doch kein Dollar
Ein Drittel der argentinischen Banken steht vor der Pleite / Mitten im Präsidentschaftswahlkampf ist das Geld alle ■ Von Astrid Prange
Rio de Janeiro (taz) – Argentiniens Bankensystem leidet unter extremer Atemnot, denn ausgerechnet den Geldsäcken gehen die Pesos aus. Im letzten Jahr schwappte eine Woge ausländischen Geldes nach Buenos Aires – der Peso war stark und Lateinamerika sowieso der Renner an den Geldmärkten. Seit Ausbruch der Finanzkrise in Mexiko vor vier Monaten bekamen auch die Devisenhändler Argentiniens kalte Füße, 7,5 Milliarden Dollar Spekulationskapital strömten aus dem südamerikanischen Land.
Nun packt auch die kleinen Sparer das Mißtrauen. In Massen plündern sie ihre Konten. Nach dem langen Osterwochenende ließ die argentinische Zentralbank acht Banken, denen das Geld ausgegangen war, vorübergehend schließen. Drei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen am 14. Mai lag eigentlich der amtierende Präsident Carlos Menem weit vor seinen Widersachern, unter anderem wegen seiner erfolgreichen Anti- Inflationspolitik. Nun versucht Argentiniens Wirtschaftsminister Domingo Cavallo verzweifelt, den Zusammenbruch des argentinischen Finanzsystems abzuwenden.
In Wirklichkeit ist nicht nur die Finanzkrise in Mexiko für den Abzug des Spekulationskapitals verantwortlich. Die Bankenkrise am Rio de la Plata ist auch eine indirekte Folge der im April 1991 von Cavallo verhängten Dollarisierung. Als Maßnahme zur Bekämpfung der Inflation koppelte die argentinische Regierung den Peso im Wert von eins zu eins an den US- Dollar. Argentiniens Zentralbank darf nicht mehr Pesos in Umlauf bringen als sie über Devisenreserven verfügt. Die Reserven aber sind weggeschmolzen: Weil der Peso eigentlich nicht einen Dollar wert ist, sondern weniger, war die Dollarisierung eigentlich eine Aufwertung der argentinischen Währung. Die Peso-Preise für ausländische Waren gingen nach unten. Industrie und Privatleute kaufen also mehr günstige Dollar-Güter – gut für die Inflation, aber miserabel für die Zahlungsbilanz.
Weil Finanzminister Cavallo nicht einfach wie früher Geld nachdrucken will, läßt sich das Finanzsystem nur mit Geldspritzen aus dem Ausland wiederbeleben. Und Otto Normalverbraucher muß sein Geld bei den Banken lassen.
„Ich bin sicher, daß die Sparer ihre Einlagen erneuern werden“, äußerte sich Cavallo am Mittwoch gegenüber der argentinischen Zeitung Clarin. Der geplagte Wirtschaftsminister rechtfertigte seinen Optimismus mit der Verabschiedung eines neuen Gesetzes, wonach von Mittwoch an für drei Monate festangelegte Guthaben bis 10.000 US-Dollar vom Staat garantiert werden. Wer sein Geld länger als 90 Tage auf der Bank liegen läßt, bekommt ein Guthaben bis zu 20.000 US-Dollar garantiert. Die Mehrheit der Argentinier scheint dem Ratschlag des Wirtschaftsministers zu folgen: „Ich hole nur ein Viertel von meinem Guthaben ab, den Rest lege ich für neunzig Tage an“, entschied Rentner Dario Colloca. Die Regierung werde nicht noch einmal die Älteren schröpfen.
Frischluft für das argentinische Finanzsystem soll auch mit der Staatsanleihe „internationaler Treuhandfonds“ aus dem Norden kommen. William Rhodes, enger Vertrauter Cavallos und stellvertretender Vorsitzender der amerikanischen „Citibank“, trug mit der Ankündigung, er verfüge bereits über 900 Millionen Dollar für den Treuhandfonds, sichtlich zur Erleichterung Cavallos bei. In Europa ist die Deutsche Bank dafür verantwortlich, die argentinischen Schuldentitel erfolgreich auf dem Markt abzusetzen.
In den krisengeschüttelten argentinischen Provinzen Bahia Blanca, Entre Rios und Mendoza vermochten jedoch auch die Beteuerungen von Präsident Menem, bei der Reform des Bankensystems handele es sich lediglich um „kleine Korrekturen“, die aufgebrachte Bevölkerung nicht zu beruhigen. Etwa vierzig Banken, die trotz mangelnder Geldmasse nicht von der argentinischen Zentralbank geschlossen wurden, weigerten sich schlicht, den Sparern ihre Guthaben auszuzahlen. Bis jetzt blieb es jedoch bei Rangeleien mit der Polizei.
Der Abgeordnete Rodolfo Terragno von der Oppositionspartei „Union Civica Radical“ (UCR) vermutet, daß mindestens 80 der knapp 200 Banken in Argentinien schließen müßten. „Statt zu sagen, was Sache ist, beschimpft Cavallo Kritiker sowohl aus dem Regierungslager als auch aus der Opposition“, beschreibt der Parlamentarier die angespannte Lage in Buenos Aires. Der Wirtschaftswissenschaftler Gilson Schwartz analysiert trocken: „Mit oder ohne Abwertung des Peso steuert Argentinien auf eine Rezession zu.“
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