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Ökohaus für Sonnenfans

■ Solarzentrum soll am Hauptbahnhof entstehen / Investor bestimmt Hochhaus-Architekten / Jo Leinen soll es richten

Um Superlative war man in Berlin noch nie verlegen. „Sportstadt Berlin“, „Hauptstadt der Weltarchitektur“, „Film“- oder gar „Klimametropole“ lauten derzeit die Parolen, hinter denen zumeist nur heiße Renommierluft steckt. Jetzt greift Berlin zu einem neuen Superlativ, der „Solarhauptstadt“. Da fehlt zwar jede Erfahrung. Aber ein paar Ideen hat man. Und auch der neue „Koordinator“ für das teure Projekt, der einstige saarländische Umweltminister und Anti-Atomkraft-Kämpfer Jo Leinen, ist zumindest dem Namen nach Programm.

Nach dem Willen der Berliner Umweltverwaltung und des Vereins „Internationales Solarzentrum Berlin e.V.“ soll ab 1996 ein großer Ökobau am Hauptbahnhof entstehen. „Auf rund 13.000 Quadratmeter Nutzfläche ist geplant, Unternehmen, Dienstleister, wissenschaftliche Einrichtungen und Planer anzusiedeln“, so Michael Knoll vom Institut für Wissenschaftsstudien und Technologie. Die Aufgabe der Fachleute bestünde nicht in der Herstellung von Solartechniken. Vielmehr sollte den Sonnenfans „in Ausstellungen, Beratungs- und Schulungszentren“ der Umgang mit der Solarenergie dargelegt werden.

Der Solarverein, der von so bekannten Gesellschaften wie Euro- Solar, der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie sowie dem Forschungsverband Solarenergie unterstützt wird, hat bisher zwar noch keine zukünftigen Ökohausmieter vorzuweisen. Fest stehen dagegen schon der Baumeister, der Standort am Spreeufer und die Investoren. Der Architekt Helmut Jahn (Chicago), der im Gegensatz etwa zu Richard Rogers (London) bis dato nicht durch besonders energiesparende Bauten auffiel, soll die Solarzentrale für rund 50 Millionen Mark realisieren.

„Wir wissen, daß Jahn eigentlich für eine andere Baukultur steht“, sagt Knoll. Doch der Chicagoer Architekt sei von den beiden Investoren „Opus“ und „Wayss & Freytag“, die das Ökohaus neben einem denkmalgeschützten Backsteinbau hochziehen und dann vermieten wollen, „sozusagen mitgebracht worden“. Es werde nun darauf ankommen, sich mit Jahn sowie einem Baukonzept zu arrangieren. Knoll: „Das Solarzentrum soll kein High-Tech-Tralala werden.“ Vielmehr erwarte der Verein, daß der Architekt einen „wirklichen Solarbau“, der den energetischen Anforderungen Rechnung trage, entwerfe.

Statt sich im Wissenschafts- und Innovationspark Adlershof niederzulassen, setzen die Solarzentrumbetreiber auf einen innerstädtischen Standort. Vom Gelände am östlichen Hauptbahnhof könne „eher ein Signal für die Nutzung von Sonnenenergie“ in die Stadt getragen werden, meint Jo Leinen. „Die Solarproduktion findet an der Peripherie statt“, sagt Leinen, „die Solarpräsentation in der Stadtmitte.“ Wer die Präsentation einmal finanzieren soll, weiß Leinen, der sich täglich „per Fax mit Berlin kurzschließt“, auch noch nicht genau.

Als „Koordinator“ sieht er seine Aufgabe derzeit darin, eine Betreibergesellschaft zu gründen und ein Konzept für den Standort sowie die zukünftige Nutzung des Internationalen Solarzentrums auszuarbeiten. Immerhin will er bis zum Sommer 1995 – dann läuft sein Vertrag mit der Senatsverwaltung für Umweltschutz aus – erste Solarunternehmen („auch Kreuzberger Firmen können da mitmachen“) an der Angel und Ideen ausgebrütet haben. Und Ideen hat Jo Leinen: etwa die eines mit Bundesmitteln geförderten Solarcafés. Das sei doch „klasse“. Leinen wollte nicht dementieren, ob er nach dem Sommer als Manager des Solarzentrums tätig sein werde.

Mit Skepsis betrachten Kritiker das geplante Solarhaus deshalb, weil es wohl ausschließlich auf Repräsentation statt auf den praktischen Umgang mit der Sonnenenergie setze. Zugleich, so Ökohausbauer Thees Klinger, wäre es sinnvoller, „dezentrale“ Solarkonzepte zu fördern als ein Solar- „Zentrum“. Rolf Lautenschläger

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