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„Sie sprechen ja gut deutsch“

Nach einem 2:1-Erfolg gegen Borussia Dortmund bedauert es Giovanni Trapattoni nun doch, daß er den FC Bayern bald verlassen wird  ■ Aus München Holger Gertz

Am Ende hat Karlheinz Riedle allen Entwarnung gegeben, die Schlimmeres erwartet hatten nach einem eineinhalbstündigen Kampf um die Luft zum Atmen. „Die Nase ist in Ordnung“, sagte der Dortmunder Angreifer, aber das war gelogen, denn wer alle fünf Minuten zum Spielfeldrand sprintet, um aus einer kleinen Sprühflasche gierig sekretlösende Substanz zu inhalieren, dem geht es offensichtlich nicht besonders. Im Training daheim soll es schon zu Erstickungsanfällen gekommen sein beim Pollenallergiker Riedle, im Spiel bei den Bayern ist er schnaubend und schnaufend davon immerhin verschont geblieben, aber sonst? „Er ist ein großer Stürmer, er sollte die Jungen führen“, hat Ottmar Hitzfeld gesagt. Sollte, wohlgemerkt, konnte aber nicht. 2:1 verloren in München, im schwachen Team war Riedle bei den Schwächeren.

Die Borussia ist ein Krankenhaus. Sammer, Cesar, Chapuisat, Povlsen, Kree aus verschiedenen gesundheitlichen Gründen dienstverhindert, dazu Möller gesperrt nach Tiefflug im Sechzehner. In München haben sie in der zweiten Halbzeit einen jungen Mann namens Yahaya Mallam auf das Feld geschickt, so groß ist die Bedrängnis. „Wir haben Pech im Moment“, hat Hitzfeld gesagt und schnell hinzugefügt: „Aber irgendwann wird das auch zu Ende gehen.“ Andererseits haben in den letzten Jahren immer die Mannschaften auf den letzten Metern der Saison Konditionsprobleme bekommen, die lange das Feld angeführt hatten. Bayern vor zwei Jahren, als Bremen den Titel gewann, und zuletzt Frankfurt, als die Bayern Erste wurden. Borussia hat noch nie die Meisterschaft gewonnen, seit es die Bundesliga gibt, als sinistres Vorzeichen will Hitzfeld das eine wie das andere nicht gelten lassen. „Wenn wir wieder komplett sind, werden wir auch wieder besser sein.“ Immerhin gab es Trost vom Kollegen Giovanni Trapattoni. Die Faust hat der geballt nach dem Spiel, sie Hitzfeld unter die Nase gehalten und in seinem lustigen Sprachmischmasch verfügt: „Du wirst Champione.“ Und Hitzfeld hat lächelnd gesagt: „Sie sprechen ja schon sehr gut deutsch.“ Wohlerzogene Herren, die zwei.

Meister Trapattoni fällt es allerdings auch leicht, den anderen zu schmeicheln. Weil der Gegner nur durch Lars Ricken traf, aber Alexander Zickler seinem hüftsteifen Dortmunder Bewacher Bodo Schmidt einmal ausgekommen ist und Christian Ziege sein Haupt im rechten Moment in einen Eckball von Mehmet Scholl hielt, ist seine Mannschaft ein ordentliches Stück weitergekommen auf dem Weg in den UEFA-Cup: Vielleicht steht die Ära Trap bei den Bayern vor einem halbwegs verträglichen Ende, und geschickt bemüht sich der Coach, die unruhigen letzten Monate zu verklären. Jetzt, wo neues Mittelfeldpersonal (Herzog, Sforza) bereitsteht und altes (Scholl) sich zu großen Taten aufschwingt; jetzt, wo Jürgen Klinsmann offenbar schon den Bleistift gespitzt hat, mit dem er demnächst seinen Vertrag beim FC Ruhmreich signieren wird; jetzt also, sagt Trapattoni, überlege er sich schon, ob er nicht doch besser seine Frau allein nach Italien hätte schicken sollen und selber noch etwas länger in München bleiben. „Die Mannschaft wird sehr gut sein im nächsten Jahr.“ Andererseits hat die Familie ihn aufgefordert, frühzeitig seinen Abschied einzureichen. „Ich stand unter großem psychischen Druck und mußte mich schnell entscheiden.“ Wohin die Reise geht, ist noch nicht gewiß. Nach Istanbul käme die Gattin bestimmt nicht mit, daheim locken Genua und Lazio Rom, und sie locken nicht nur ihn, sondern auch dessen Eleven. Trapattoni überlege sich, Christian Ziege und Mehmet Scholl im Handgepäck mitzunehmen, hat gerade ein Münchner Boulevardblatt vermeldet, und der Coach hat sich auch gar nicht großartig bemüht, das zu dementieren, schließlich „haben in Italien nicht viele solche Fähigkeiten“. Andererseits: „Die sind zu teuer.“ So ein Deal würde Trapattonis Beziehung zum FC Bayern ja auch schädigen, wo sich doch gerade alles so glücklich fügt. Er wird also allein gehen.

Am nächsten Wochenende haben beide die richtigen Gegner zum Aufbauen: Bayern muß zum VfB Stuttgart, nach Dortmund kommen die Dresdner, und Hitzfeld hofft, daß seine Krankenstation sich bis dahin lichtet: Sammer, Cesar, Kree, „von denen wird jemand dabei sein“. Und hoffentlich keiner dazukommen: Gelegenheit, sich zu blessieren, hätten zum Beispiel Steffen Freund und Stefan Reuter Mittwoch beim Länderspiel gegen Wales, und am liebsten würde ihr Trainer sie deshalb auch zu Hause behalten. Aber Hitzfeld weiß: „Wenn Berti ruft, werden seine Jünger schon folgen.“

Borussia Dortmund: Klos - Zelic - Kurz (66. Mallam), Schmidt - Reuter, Freund, Zorc, Franck (64. Ricken), Reinhardt - Riedle, Tanko

Schiedsrichter: Strampe (Handorf)

Zuschauer: 63.000 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Zickler (51.), 2:0 Ziege (69.), 2:1 Ricken (83.)

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