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Planlos in Seattle, Alltag in New York

■ Sitcoms im Doppelpack: Die amerikanischen Erfolgsserien "Seinfeld" und "Frasier" laufen ab heute werktags bei Kabel 1

Das US-Fernsehen holt sich seine Stars gern von der Bühne. Bill Cosby, lange Zeit der erfolgreichste Unterhaltungskünstler überhaupt, ist bereits ein Veteran unter den Stand-up comedians, die den Sprung vom Brettl zum elektronischen Medium geschafft haben. Auch Kinostars wie Billy Crystal, Emma Thompson, Eddie Murphy, Steve Martin, Robin Williams begannen ihre Karrieren als Alleinunterhalter.

Roseanne Arnold entwickelte die Hauptfigur der Sitcom „Roseanne“ ursprünglich für ihre Bühnenprogramme, der Late-Night- Talker Jay Leno witzelte einst im Vorprogramm von Tom Jones, Johnny Mathis und John Denver, und auch sein Kollege David Letterman war Conférencier, ehe er vor die Fernsehkameras wechselte.

Die florierenden Live-Clubs, in denen regelmäßig auch Newcomer eine Chance bekommen, sind eine harte Schule für angehende Entertainer. Jerry Seinfeld hat sie durchlaufen und das Metier zum Thema der nach ihm benannten Sitcom gemacht. Ein Special mit dem treffenden Titel „The Seinfeld Chronicles“ machte 1989 den Anfang. Das Konzept kam an und wurde in der Folge zu einem Serienformat ausgebaut, das Quartett der Hauptdarsteller – neben Seinfeld agieren Julia Louis Dreyfus, Jason Alexander und Michael Richards – beibehalten.

1990 hatte „Seinfeld“ Premiere, seither erfreut sich die außergewöhnliche Sitcom bei Kritikern wie Zuschauern größter Beliebtheit. Die Themen der locker strukturierten Episoden sind völlig unspektakulär, die Handlungen kreisen um die ganz banalen Kalamitäten des Metropolenalltags. Schauplatz der Serie ist New York, das Personal erscheint für ortsübliche Verhältnisse beinahe normal.

Jerry Seinfeld, der auch als Produzent und bei vielen Episoden als Co-Autor verantwortlich zeichnet, spielt sich selbst: einen Stand-up comedian, dem die Macken und Malaisen seiner Mitbürger das Material für seine Bühnenprogramme liefern. Seine Auftritte vor kleinem Publikum sind die Klammern der jeweiligen Handlung und werden mitunter auch mittendrin eingeblendet – der Komiker als Chorist, der das Geschehen buchstäblich vom Bühnenrand aus kommentiert, gebührend distanziert, hintersinnig und voller Selbstironie, dabei aber stets in einer Form, die den Zuschauer vor dem Fernseher einbezieht.

Ein Kritiker der amerikanischen Verbraucherorganisation „Viewers For Quality Television“ schrieb: „Man lacht über die Geschichten, weil es um unser eigenes Leben geht und unsere eigenen Probleme vor uns ausgebreitet werden.“ Ähnlich äußerte sich das amerikanische Entertainment- Magazin US: „Wenn Jerry, Elaine und ihre Freunde George und Kramer sich abwechselnd zanken und wieder vertragen, sind wir gefangen und identifizieren uns mit den Figuren.“

Dasselbe gilt für „Frasier“, eine weitere Sitcom der gehobenen Klasse, deren erste Staffel bereits mit rekordverdächtigen fünf Emmys prämiert wurde – und die erfreulicherweise zur Ausstrahlung gelangt, ehe wir womöglich infolge fragwürdiger Gatt-Beschlüsse mit einheimischen Serienproduktionen allein gelassen werden. Dr. Frasier Crane (Kelsey Grammer) ist die einzig überlebende Figur einer Ära, die am 20. 5. 1993 zu Ende ging: An diesem Tag wurde in den USA nach elfjähriger Laufzeit die letzte Episode der immens populären und mehrfach preisgekrönten TV-Serie „Cheers“ ausgestrahlt. In „Cheers“ war der Psychiater nur einer von mehreren Stammgästen der titelgebenden Bar, nun rückte er in den Mittelpunkt einer neuen Sitcom. Die sollte möglichst wenig gemein haben mit dem Vorläufer. Also verordnete man Crane die Scheidung und verschob ihn von Boston in seine Heimatstadt Seattle. Dort avanciert er als Lebensberater eines Rundfunksenders zum regionalen Star. In der Absicht, das neue Single-Dasein zu genießen, bezieht Crane ein luxuriöses Apartment. Aus dem Dolce vita wird freilich nichts. Frasiers Vater, ein ehemaliger Polizist, wurde bei einem Einsatz schwer verletzt, ist seither gehbehindert und benötigt dauernde Pflege. Da Frasiers Bruder von seiner resoluten Gattin Maris untersagt bekommt, den knurrigen alten Mann und seinen ungebärdigen Hund zu beherbergen, ergibt sich Frasier in sein Schicksal und nimmt auch noch die britische Pflegerin Daphne Moon (Jane Leeves) auf.

Der widerborstige Vater, der launenhafte Hund und die spirituell erleuchtete Daphne, die ihre kuriosen Orakel mit dieser originär britischen, im Zuge der Eindeutschung verlorengegangenen singenden Sirenenstimme zum besten gibt, sorgen stets für Wirbel in Frasiers Dasein. Heimlicher Star der Show aber ist David Hyde Pierce als Frasiers jüngerer Bruder Niles, gleichfalls Psychiater, leicht neurotisch und ewig pikiert, der einzig in bezug auf Daphne einen Anflug von Leidenschaft offenbart. Typisch für Niles ist sein Bericht über ein erregendes Kinoerlebnis: „Der Film ist heiß. Nachdem ich mit Maris im Kino war, haben wir unsere Betten zusammengeschoben. Das will was heißen – unsere Betten stehen sonst in verschiedenen Räumen an entgegengesetzten Enden des Flurs.“ Harald Keller

„Frasier“ ab heute werktags um 18.25 Uhr, danach „Seinfeld“ um 18.50 Uhr, beides Kabel 1. „Cheers“ ab 2. Mai werktags um 9.30 Uhr bei RTL

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