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Nachschlag

■ Junge ChoreographInnen in der Volksbühne

Um die Förderung ihres choreographischen Nachwuchses haben sich die Berliner Opernhäuser in den letzten Jahren kaum verdient gemacht: Die Existenz des 1990 gegründeten Forums „Junge Choreographen“, das den BallettänzerInnen die Möglichkeit bietet, eigene Choreographien zu erarbeiten und öffentlich vorzustellen, ist allein der Eigeninitiative der TänzerInnen zu verdanken. Die Volksbühne ist offener für Experimente, und während sich die „Jungen Choreographen“ der Opernhäuser am kommenden Wochenende in der Akademie der Künste präsentieren werden, hat die Volksbühne fünf Kresnik-TänzerInnen am letzten Wochenende Platz für choreographische Versuche im eigenen Haus eingeräumt. Wer lauter kleine Kresniks befürchtete, wurde im ganzen angenehm überrascht. Und trotz einiger Schwächen war das Niveau auch erstaunlich professionell.

Mit „Leidenschaften“ hatte Nilson Soares Sonette von Shakespeare in Szene gesetzt: Sieben blutrot gewandete Damen gaben sich unterkühlt und stilsicher den Merkwürdigkeiten menschlichen Trieblebens hin. Mit einer unübersehbaren Lust am Dekadenten bewegte man sich zweifellos auf hohem ästhetischen Niveau, doch war der Kunstanspruch zu hochgeschraubt und das Stück versandete im Unbestimmten. Ganz anders Osvaldo Ventriglias „tropfen“. Ein Stück mit Substanz – eine Qualität, die vielen „großen“ Inszenierungn abgeht. „tropfen“ ist ein minimalistisches Tanzstück für zwei Tänzer, die ihre Aggregatzustände selbstversunken unaufhörlich zu verändern scheinen: Eine Bewegungsmeditation, bei der geringste Muskelverschiebungen des Tänzers Gernot Frischling zu einem kleinen Körper-Wunder werden. Osvaldo Ventriglia war die Entdeckung des Abends.

Eine humorvolle, aber etwas banal-erotische Sicht auf die Medienwelt zeigte Monica Kodato in „TV-Dreams“. Sinn fürs Erzählerische, für Rhythmik und Spannungsbögen bewies Maricio Ribeiro mit „Amazonia“. Doch litt seine lehrstückhafte Choreographie über die Begegnung eines Indios mit der „Hure Zivilisation“ an einer Einfachheit, die oft platt wirkte und sich nur in den besten Momenten in Schlichtheit verwandeln konnte. Ganz auf die Spuren des Meisters Kresnik begab sich Walter Bickmann mit „Dionysos im Wohnzimmer“. Und das hat er wirklich nicht schlecht gemacht. Aber wem permanentes Kotzen, Stumpfsinn- Sex und ebensolche Gewalt-Rituale nur noch auf die Nerven fallen, konnte diesem Stück nichts abgewinnen. Michaela Schlagenwerth

„Junge Choreographen“, 29./30. 4., 20 Uhr, Akademie der Künste, Hanseatenweg, Tiergarten.

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