: Halber Schokoriegel
■ Die ARD will ab 1997 mehr Geld haben: der Streit um die Erhöhung der Rundfunkgebühren geht in die nächste Runde
Für Helmut Kohl war schon zu Jahresbeginn klar: eine Gebührenerhöhung kommt aus einer „Vielzahl von politischen Gründen“ nicht in Frage. Als er das sagte, war ihm allerdings gerade die Galle wegen einer „Monitor“-Satire übergelaufen, und das Gespann Stoiber/Biedenkopf wollte just in diesen Tagen das ARD-Programm abschaffen. Prompt mußte der Kanzler sich korrigieren lassen: Die Politik darf in die Festsetzung der Rundfunkgebühren fast gar nicht eingreifen (siehe Kasten).
Gestern haben nun die ARD- Anstalten bekanntgegeben, welchen Finanzbedarf sie formell anmelden. Zusätzlich wollen sie ab 1997 1,5 Milliarden Mark jährlich haben, das entspräche einer monatlichen Gebührenerhöhung von 3,85 Mark. Wenn dann noch das ZDF 2,20 Mark mehr verlangt, wie zu hören ist, hätte jeder Teilnehmer künftig 29,85 Mark zu zahlen. Das sind zwar 25,4 Prozent mehr als der seit 1992 stabile Tarif (23,80 Mark). Doch es liegt kaum über der allgemeinen Inflation von fünf Jahren.
Die meisten SPD-Ministerpräsidenten haben bereits signalisiert, daß eine Gebührenerhöhung gerechtfertigt ist – sofern gleichzeitig kräftig gespart wird. Was blieb ihnen auch übrig, nachdem sich auf der Gegenseite eine konzertierte Aktion zusammengefunden hatte. Privatsender und Unionspolitiker, die nur zähneknirschend die „Bestands- und Entwicklungsgarantie“ für ARD und ZDF akzeptieren, möchten deren „Grundversorgungsauftrag“ so eng wie möglich definieren. Vor allem zwei Dinge sind RTL, Sat.1 et al. ein Dorn im Auge: daß sich ihre gebührenfinanzierten Konkurrenten beim interaktiven Fernsehen engagieren wollen – und daß auch sie „Spartenkanäle“ für bestimmte Zielgruppen einrichten wollen.
Als erstes locken ARD und ZDF mit einem gemeinsamen werbefreien Kinderkanal. „Von acht bis acht“ soll er heißen, „pädagogisch wertvoll“ sein und „ohne zweifelhafte Actionfilme“ auskommen (so ARD-Vorsitzender Albert Scharf). Dafür müssen die jährlich 135 Millionen Mark mit zusätzlichen Gebühren gedeckt werden. Rund vierzig Pfennig im Monat sind das pro Fernsehgerät, „Weniger als ein halber Schokoriegel“, macht Scharf das Projekt den Eltern schmackhaft.
Die Privatsender möchten – verständlicherweise – lieber, daß die Kinder bei ihnen Werbung gucken und dann Schokoriegel kaufen, denn hohe Einschaltquoten bringen ihnen höhere Werbeeinnahmen. So ist Pro 7 heute schon der von Kindern meistgesehene Sender.
Bei ihrer Bedarfsanmeldung listet die ARD nicht nur auf, wofür sie zusätzliches Geld braucht (z.B. 29,5 Millionen für die neue virtuelle Studiotechnik von „Tagesschau“ und „Tagesthemen“, 86,6 Millionen für technische Innovationen wie digitalen Hörfunk und Sendungen im neuen Bildformat 16:9). Um ihre Gebührenforderung auch zögernden Ministerpräsidenten ans Herz zu legen, vergißt die ARD auch nicht, ihre Sparsamkeit herauszustellen: 1997 bis 2000 sollen insgesamt 847 Millionen eingespart werden. 622 Planstellen (darunter, explizit erwähnt, auch Leitungsposten!) sollen gestrichen, die vielkritisierten hohen Altersversorgungen „erheblich verringert“ werden.
Ob das und der Hinweis auf kostensparende Kooperationen der Sender reicht, um auch die Gebührenkommission KEF zu überzeugen, ist noch nicht ausgemacht. Voraussichtlich macht sie sich ihre Entscheidung schwerer als Ministerpräsident Gerhard Schröder. Für den ist die Rundfunkgebühr so lange zumutbar, wie sie weniger kostet als der Kinobesuch für eine vierköpfige Familie. Michael Rediske
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