„Einer, der alles umkrempelt“

■ Mit dem neuen Volleyball-Bundestrainer Olaf Kortmann geht einer nach innen, der bisher nur von außen spöttelte

Berlin (taz) – In der Nacht, in der die Volleyball-Weltmeisterschaft zu Ende gegangen war, saßen im letzten Herbst am Hafen von Piräus einige Trainer und Journalisten zusammen. Der Kellner brachte immer wieder die letzte Flasche Retsina, allen war nach einem Schlußwort, und irgendwann hat einer Olaf Kortmann gebeten, doch mal zu erzählen, welche neuen Erkenntnisse ihm die WM gebracht habe. Da hat sich Kortmann, damals noch Coach des SCC Berlin, ein bißchen zurückgezogen, gedanklich jedenfalls. Die anderen plauderten weiter, bis ein Trainerkollege, der ihn ganz gut kennt und sich das erlauben kann, geneckt hat: „Psst, der Meister will sprechen!“ Kortmann hat gegrinst und geantwortet, daß er sich nun mal ganz gern Zeit läßt, bevor er was sagt. Und dann hat er in seinem hamburgischen Singsang vorgetragen, welche Erkenntnisse ihm die WM gebracht hat, und am Ende hat der, der sich das erlauben kann, gesagt: „Vielen Dank für das kostenlose Seminar.“ Es war nämlich für die späte Stunde geschliffen formuliert, wie Olaf Kortmann analysiert hat, warum die italienischen Volleyballer die besten, die holländischen die zweitbesten und alle zusammen so viel besser sind als die deutschen.

Daß ihn jemand Meister nennt und hervorhebt aus der Menge, paßt zu dem 39jährigen, der ab Montag Volleyball-Bundestrainer sein wird und eine ganze Sportart aus der schlimmen Rezession führen soll. Bei der Optik fängt das schon an. Früher, als Trainer beim HSV, hat er bei Europapokalspielen im edlen Tuch auf der Bank gesessen, „weil ich das besondere Ereignis würdigen wollte, wie einen Opernbesuch“. Dann haben das alle Kollegen nachgemacht, Kortmann wechselte zu teilweise verwegen um den Körper schlotternden Sakkos: Es sei doch langweilig, wenn alle das gleiche trügen. Er inszeniert sich, macht sich zu einem Typ, den man wahrnimmt. Schon darin offenbart sich der Unterschied zu seinem betulichen Vorgänger Igor Prielozny, den der graue Anzug am besten kleidet.

Einer, der überall Erfolg hatte, wohin er kam, kann sich Eitelkeiten erlauben. Titel in Hamburg, in Berlin, mit den Frauen vom USC Münster; Kortmann hat sich in der Liga den Respekt erworben, den die Spieler dem Verbandszögling Prielozny nie entgegengebracht haben. Als klar war, daß er neuer Coach wird, sind alle zurückgekommen, die sich mit Prielozny überworfen hatten: Georg Grozer aus Moers zum Beispiel und Dirk Oldenburg aus Dachau: „Mit Olaf will jeder arbeiten“, sagt der; auch weil das Selbstbewußtsein Kortmanns sich nicht zur Überheblichkeit gewandelt habe. „Er geht zu jedem Lehrgang, der in den Terminplan paßt“, erzählt der Dachauer Frank Reimann, und Kortmann selbst findet, daß man auch als Meister immer Schüler bleiben müsse. Auf Reisen in China und Amerika hat er gelernt, im Studium der Philosophie und ganz normal im Alltag. Im Gespräch unterbricht er kaum, er hört zu. Und er sieht zu, sogar sich selbst. Als seine Berliner ein Bundesligaspiel in Dachau glatt verloren hatten, erkannte er auf dem Video, daß er selbst dazu beigetragen hatte: Unbeteiligt habe er dagestanden, ohne Spannung. „Mir fehlte das meisterliche Auftreten, und dann fehlte es meinen Spielern auch.“

Unter einem Bundestrainer Kortmann wird sich viel ändern müssen beim Volleyball-Verband. Einer, der die Funktionäre immer von außen bespöttelt hat, kommt für einen, der ihnen zu Diensten war. Der neue Mann will eine gute EM spielen und nächstes Jahr die Olympiaqualifikation schaffen, und er wird das Werk nicht in Angriff nehmen ohne ein professionelles Management. Die Organisation des Umfelds, die Öffentlichkeitsarbeit, alles muß sich ändern. „Wir brauchen einen, der alles umkrempelt. Alles“, sagt Spieler Reimann. Der Auftrag des Trainers Kortmann ist damit treffend beschrieben. Holger Gertz