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Atombomben zu Kilowattstunden

Siemens will russisches Waffenplutonium zu Brennelementen für deutsche Atomkraftwerke umarbeiten / Das Konzept für das heiße Atomgeschäft liegt beim Außenministerium  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Freien Demokraten, Hermann Otto Solms, ging nach dem Maifeiertag mit der Idee auf den Markt. Neu war sie nicht, aber Politiker trauten sich bisher nicht, laut darüber zu sprechen. Jetzt müssen sie es tun. Plutonium aus russischen Sprengköpfen, meint Otto Solms, könnte doch in der neuen, zu 95 Prozent fertiggestellten Siemens-Fabrik zur Produktion von Uran- und Plutoniumhaltigen MOX-Brennelementen in Hanau verarbeitet werden.

Ein „kleines Cleverle“ nannte der Landesvorstandssprecher der hessischen Bündnisgrünen, Reimar Hamann, den Freidemokraten, der zu den grauen Eminenzen seiner Partei zählt. Denn Solms' Vorschlag würde den deutschen Reaktoren eine Laufzeit von mindestens 25 Jahren garantieren. So lange nämlich dürfte es dauern, bis die etwa 120 Tonnen russischen Plutoniums, zu MOX-Brennelementen verarbeitet, in den dafür geeigneten deutschen Atomkraftwerken abgebrannt sind. Hamann: „Ein gefundenes Fressen für die fanatisch um den Erhalt der Atomkraft kämpfenden Freien Demokraten.“

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) hält das Geschäft mit Rußland schlicht für „atomaren Wahnsinn“. Und für die südhessische Bezirksvorsitzende der SPD, Uta Zapf, stellt alleine der Transport einer solchen Menge von „waffengrädigem Plutonium“ über Tausende Kilometer ein „unvertretbares Risiko“ dar. Schon die Sicherung dieser Transporte würde, nach den Erfahrungen mit dem Castor, „Abermillionen Mark“ verschlingen. Uta Zapf ist leider schlecht informiert. Denn erstens will Siemens kein hochangereichertes waffenfähiges Plutonium importieren, sagt Rainer Jendt, Sprecher des Brennelementewerkes in Hanau. Und zweitens müsse die deutsch-russische Zusammenarbeit auf dem sensiblen Atomsektor international mitgetragen werden – von den Vereinigten Staaten, England und Frankreich.

Siemens hat bessere Chancen als die USA

Mit diesen zwei Bedingungen versehen, liegt das Szenario schon fertig ausgearbeitet in Jendts Schublade. „Im Interesse der Menschheit“ müsse es doch liegen, sagt der Siemens-Sprecher, daß waffenfähiges Plutonium aus Rußland in einer sicheren deutschen Anlagen zu MOX-Brennelementen verarbeitet und anschließend in sicheren deutschen Atomkraftwerken energiespendend vernichtet werden könne. Die MOX-Brennelemente aus ehemaligem Atombombenmaterial sollten nur einmal eingesetzt werden. In zivilen Reaktoren würden dann bis zu 50 Prozent des russischen Plutoniums gespalten und der Rest in andere Spaltprodukte eingebunden. Danach sollen Brennelemente endgelagert werden – „vielleicht in einem Endlager in Rußland, das unter internationaler Beteiligung rasch gebaut werden könnte“.

Und Siemens hat auch schon ausgerechnet, wieviel Strom aus den russischen Atomsprengköpfen produziert werden könnte: 1,2 Billionen Kilowattstunden.

Technisch, versichert Jendt, sei Siemens schon morgen, nach Fertigstellung der neuen MOX-Produktionsanlage, in der Lage, diesen Plan zu verwirklichen. Eine „Machbarkeitsstudie“, die nach Gesprächen der Gesellschaft für Reaktorsicherheit, dem Auswärtigen Amt, dem Siemens-Konzern, dem russischen Energieministerium und russischen Industriellen erstellt wurde, liege dem Außenministerium seit Februar vor. Danach sei es kein Problem mehr, das waffenfähige Material so zu entschärfen, daß es dann als Oxyd vorliege und nur noch einen Anreicherungsgrad von bombenfähigem Plutonium 239 von 50 bis 60 Prozent aufweise.

Siemens, verspricht der Hanauer Sprecher, sei durchaus bereit, mit dem ensprechenden Know-how und auch mit Personal in Rußland selbst tätig zu werden. Denn dort steht schon eine in deutsch-russischer Zusammenarbeit gebaute Pilotanlage zur Einbindung von waffenfähigem Plutonium in MOX-Brennelemente. Allerdings nur für einen Jahresdurchschnitt von einer Tonne. Jendt: „Da bräuchten die 120 Jahre, um alles abarbeiten zu können.“

Weil Rußland sein Plutonium als „nationale Energiereserve“ betrachte, stehe man dort den deutschen Vorstellungen „mehr als positiv“ gegenüber, sagt Jendt. Vorschläge, etwa der US-Amerikaner, wonach das Plutonium aus den Sprengköpfen in Glas eingeschweißt und dann endgelagert werden sollte, seien von den Russen deshalb verworfen worden.

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