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Westlicher Schulterschluß wäre fatal

■ Trotz selbstbewußter Reaktionen im Iran: Stopp der Ölexporte in die USA könnte spürbare Folgen für die Bevölkerung zeitigen

Im Iran hat das bevorstehende Handels- und Finanzembargo der USA eher gelassene Reaktionen ausgelöst. „Irans Wirtschaft ist so stark und stabil, daß die US-Konspiration zum Scheitern verurteilt ist“, sagte etwa Präsident Rafsandschani der Zeitung Keyhan International. „Ein Öl-Handelsembargo kann Iran höchstens ein paar Monate lang Probleme bereiten“, schrieb die regierungsnahe Zeitung Jomhuri-je Eslami. „Wenn Washington diese Politik fortführt, wird es nur die US-Firmen isolieren, an deren Stellen dann ihre europäischen Konkurrenten treten.“

Revolutionsführer Ayatollah Ali Chamenei zeigte sich sogar „zutiefst beglückt“. Nach einem Bericht des iranischen Rundfunks sagte Chamenei auf einer Veranstaltung von Arbeitern und Lehrern am Mittwoch, derlei Maßnahmen würden beim revolutionären Volk Irans Arbeitsmoral und Produktionsanstrengungen eher festigen. Lediglich der Kommandant der Revolutionsgarden, Mohsen Rezai, schlug einen schärferen Ton an, als er die Streitkräfte zu Wachsamkeit aufrief, da die USA einen Krieg gegen Iran vorbereiteten.

Die größte Gefahr für Teheran dürften derzeit mögliche Auswirkungen eines Boykotts auf Investoren aus anderen Ländern haben. Wie die Iran News meldete, haben sich infolge US-amerikanischen Drucks bereits deutsche und niederländische Banken aus einem Hotelprojekt in Teheran zurückgezogen. Sollten sich Staaten wie Deutschland, Rußland oder Japan dem Boykott anschließen, wären die Folgen für die iranische Wirtschaft verheerend.

Nützen könnte die Maßnahme Washingtons radikalen Kräften in Teheran, die Rafsandschanis Politik der Öffnung gegenüber dem Westen als Verrat an den Idealen der Revolution kritisieren. Sie dürften neue Argumente dafür finden, Amerika und Israel als Feinde Irans zu verurteilen. In mehreren Zeitungen wurde die Vermutung geäußert, der Vorwurf, Iran unterstütze den Terrorismus und baue eine Atombombe, diene lediglich als Vorwand. Der wirkliche Grund für den Boykott sei Irans ablehnende Haltung zum Friedensprozeß im Nahen Osten. „Es geht den Amerikanern weder um Menschenrechte noch um Terrorismus“, so ein Regimekritiker. „Es geht darum, daß die Iraner, was den Nahost-Konflikt betrifft, nicht nach der Pfeife der Amerikaner tanzen. Speziell in bezug auf die Haltung Irans zum Palästina-Konflikt teilen viele Oppositionelle die Haltung ihrer Regierung. Das Embargo wird daher auch unter den Intellektuellen die Antipathien gegenüber den USA verstärken.“

Selbst wenn es in den nächsten Monaten gelingen sollte, andere Kunden für das iranische Öl zu gewinnen, so kann der Stopp der Exporte in die USA angesichts des akuten Devisenmangels des iranischen Staates kurzfristig spürbare Folgen für die Bevölkerung haben. Tatsächlich haben in den letzten Tagen die Preise für ausländische Waren angezogen. Der Dollarkurs ist innerhalb von nur drei Tagen von 4.280 auf 4.800 Rial angestiegen, wobei es allerdings in den letzten Tagen fast unmöglich war, im Iran Dollars zu kaufen. Was die amerikanischen Importe anbelangt – derzeit haben sie einen Wert von 326 Millionen US-Dollar –, so dürften sich die Auswirkungen des Embargos auf einzelne Bereiche beschränken. Es könnte zu Engpässen bei der Reisversorgung kommen, einige Maschinenbaufabriken sind von amerikanischen Zulieferern abhängig. Entscheidend dürfte sein, wie streng die US-Regierung die Einfuhr amerikanischer Waren nach Iran über Drittländer kontrollieren wird. Navid Kermani

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