: Heute schon geniest?
■ Warum dieses Jahr besonders viele Menschen unter quälendem Heuschnupfen leiden
Alles niest, schnupft und hat rote Augen. Heuschnupfen allüberall. Was ist los dieses Jahr? Wir fragten Andrea Wallrafen vom Verband der Alleriker und Asthmatiker.
Stimmt der Eindruck, daß der Heuschnupfen dieses Jahr besonders heftig zuschlägt?
Andrea Wallrafen: Es gab generell in den letzten Jahren eine Zunahme von Heuschnupfen: 1992 waren 12 Prozent der Deutschen betroffen, 1994 schon 15 Prozent. Daß es in diesem Jahr so schlimm ist, hat mit der Witterung zu tun. Normalerweise fangen die Pollen im Februar an zu fliegen...
Haselnuß und Erle.
Ja, und im April schleicht sich dann die Birke ein, die ja ein sehr aggressives Allergen ist. In diesem Jahr jedoch hingen bis Ende April die Birkenkätzchen eigentlich prallvoll und bereit zum Fliegen an den Zweigen, es fehlten aber Wärme und Wind. Wir hatten also bis Ende April eine Konzentration von unter 50 Birkenpollen pro Kubikmeter Luft, die dann Anfang Maai fast von einem auf den anderen Tag auf 1.000 bis 2.000 pro Kubikmeter Luft anstieg, ganz schnell.
Es heißt ja Heuschnupfen und nicht Baumschnupfen. Gibt es denn im Juni zur Grasblüte nochmal eine neue Welle?
Ja, im Juni/Juli kommen die Gräser, bis in den Herbst, im Juli/August die Getreidesorten, im Herbst auch Kräuter wie der Beifuß.
Sie sagten, über die Jahre gesehen nimmt der Heuschnupfen zu. Warum?
Bis vor drei Jahren haben alle gesagt, das ist die Umwelt, die Schadstoffe greifen die Schleimhäute an und machen die durchlässiger für Allergene. Das ist aber nur einer der Gründe. Nach der Öffnung der Mauer machte man nämlich eine spannende Entdeckung: In Ost-Deutschland sind viel weniger der Unter-40jährigen Allergiker als im Westen.
Obwohl die dort mehr Umweltgifte haben?
Ja. Und das liegt daran, daß es in der DDR sehr viel mehr Wurminfektionen, allgemein Infektionskrankheiten gab. Und zwar deswegen, weil sehr viele in Kinderhorten waren. Außerdem ist dort sehr viel mehr geimpft worden. Es hat sich also die Anfang der 80er Jahre noch belächelte These bestätigt, daß das Immunsystem einfach Langeweile hat und fehlgeleitet reagiert, wenn es eben keinen richtigen Feind hat wie einen Virus oder eine Wunde.
Und im Osten wurde das Immunsystem mit Impfungen und Würmern beschäftigt. Nein! Ich setz mich sofort in den Dreck.
Naja, man kann jetzt natürlich nicht sagen: Ich hol mir einen Wurm. Der Schluß aus dieser Geschichte wäre: Den ganzen Impfplan sehr sorgfältig einhalten. Das kann auch bei Kindern den Ausbruch einer Allergie verhindern, die sie geerbt haben.
Was aber kann ein Erwachsener noch machen? Was halten Sie von Akupunktur beziehungsweise der klassischen Methode, der Desensibilisierung?
Die Desensibilisierung ist eine vorbeugende Geschichte, das macht man ab Herbst. Bei manchen hilft schon eine zehnwöchige Schnell-Desensibilisierung, bei der die Dosen rasch erhöht werden. Dafür muß man aber schon eine gewisse Stabilität haben.
Weil man mitten im Winter einen heftigen Heuschnupfen durchmacht?
Ja. Die andere Variante dauert den ganzen Herbst bis ins Frühjahr und muß eventuell im nächsten Jahr noch einmal wiederholt werden, hält dann aber auf Dauer. Die Akupunktur hat dagegen nur eine symptomlindernde Wirkung, keine heilende.
Hätten Sie denn noch einen ganz praktischen Tip für Leute, die trotz Heuschnupfen aufs Rausgehen nicht verzichten wollen?
Haarewaschen vor dem Schlafen. Das nützt aber nur, wenn man auch seinem Bettnachbarn den Kopf wäscht. Und die Kleider schon außerhalb des Schlafzimmers ausziehen. Fragen: cis
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