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Poetische Schwingungen am Lagerfeuer

■ „Gedichte in Bewegung“ – der Auftakt des von der taz mitinitiierten Wettbewerbs ist gemacht, die ersten Werke sind prämiert und weitere ausdrücklich erwünscht

Synagogen-Einweihung, Demonstration vor der Neuen Wache, Avus-Rennen und Stadt-Marathon – da hat sich die taz nicht lumpen lassen und am Sonntag nachmittag ebenfalls ein kleines Ereignis erzeugt. Ulrich Plenzdorf, Reinhard Lettau und Uwe Kolbe lasen am Bahnhof Schlesisches Tor aus ihren Werken, und zwar in einem U-Bahn-Zug: Auftakt zu der Aktion „Gedichte in Bewegung“, zu der sich taz, Radio Brandenburg, BVG und die Potsdamer Verkehrsbetriebe zusammengetan haben.

Zuvor klebten die Schriftsteller die ersten zwei von zwölf Gedichten, die künftig in den U-Bahnlinien 1, 2 und 12 sowie der Potsdamer Straßenbahn zu lesen sein werden. Die Idee ist nicht neu: In London, Paris, New York und selbst in Stuttgart kam man schon vor einiger Zeit darauf, daß Lyrik im Untergrund dem nach einem harten Tag in der Stadt ramponierten Seelenhaushalt der Passagiere gut tut, für Unterhaltung sorgt und die Kommunikation unter den Fahrgästen fördert. Daneben geht es natürlich um die von der BVG kürzlich entdeckte Imagepflege. Zögernd zwar, aber dann doch willig opferte sie die Einnahmen der sonst für Paech-Brot-Poesie reservierten Werbeflächen für die gute Sache.

Die Jury, bestehend aus Plenzdorf, Lettau, Kolbe und VertreterInnen der beiden Medien, wählte aus den 3.000 von Leser- und HörerInnen eingesandten Gedichten zwölf aus, die jetzt den Weg in die U-Bahn gefunden haben. Ein Celan ist darunter, ein Brasch, aber eben auch acht Texte von bisherigen Schubladen-DichterInnen. Die Tendenz zur wohlbekannten Großstadt-Düsternis („Den Tag mit Leuten füllen und mit Geschwätz / Den Abend mit Bier“) oder dem alten Aussteiger-Blues („Laß uns gehen und niemals ankommen“) spiegelt den Tenor der meisten Einsendungen. Lyrische Wunder sind nicht geschehen, zum Lachen gibt es auch nicht viel.

Bis mindestens Ende des Jahres sollen regelmäßig neue Gedichte ausgewählt und geklebt werden – taz-LeserInnen sind also weiterhin aufgefordert, ihre Werke ans Licht zu bringen. Vielleicht kann die erste Lieferung ja zu ein wenig mehr Experimentierfreude anregen.

Trotz widriger Straßenfest-Umstände lauschten auf dem Bahnsteig viele mit versonnen geneigten Köpfen. Die Kids hatten die geringsten Verständnisprobleme. Sie machten große Augen, lachten an den richtigen Stellen, befragten die Autoren und begannen schließlich Postkarten zu schreiben. Für einen Moment war es in der U-Bahn wie am Lagerfeuer.

Uwe Kolbe und Reinhard Lettau hatten poetische Schwingungen im gänzlich unpoetischen Ambiente des U-Bahnhofs hervorgerufen, die auch die handfesten Lieder aus Plenzdorfs nostalgischer „Revolte Reform Revue“ noch trugen. Als er in die Runde fragte, ob er die Texte nicht singen solle, riefen die Kinder: „Sing! Sing! Bitte, sing!“ Jörg Häntzschel

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