Sieg der Langsamkeit

Werder Bremen – Borussia Dortmund 3:1 / Kampfgeist triumphiert über Präzision  ■ Aus Bremen Dieter Mützelburg

Bengalische Feuer in Rot und Nebelschwaden in Weiß verliehen dem Bremer Weser-Stadion italienisches Flair. Die sonst so zurückhaltenden Bremer Fans besangen auch noch eine halbe Stunde nach Werder Bremens 3:1-Sieg über den Tabellenführer Borussia Dortmund die deutsche Meisterschaft. Daß vor dem Titelgewinn noch fünf Spiele zu bewältigen sind, wen interessierte das am Sonntag?

Besonders meisterlich hatten die Bremer in der ersten Halbzeit nicht gespielt. Libero Ramzy verlor am eigenen Strafraum zweimal den Ball. Dann versuchte er es gegen Sammer mit Schieben, Stoßen und Festhalten, gerne auch mal mit einem Tritt in die Beine, was Schiedsrichter Merk mit Gelb, Ermahnungen und schließlich einer Matchstrafe belohnte. Wenig meisterlich auch die Taten der Bremer Angreifer. Hobsch erinnerte sich, was er in Leipzig zu DDR-Zeiten gelernt hat, und rannte ununterbrochen nach vorne und wieder nach hinten. Leider scheint er sich weder Ballannahme noch Dribbeln angeeignet zu haben, geschweige denn die Abseitsregel. Ergebnis: Auswechslung, allerdings erst zehn Minuten vor Schluß.

Davon blieb Riedle, Dortmunds Angreifer, zwar verschont, aber seine Wirkung war wie die von Hobsch. Als die italienische Stimmung ausbrach, war das alles vergessen. Herzog, Basler nach Rückpaß von Herzog und Basler mit Hilfe des dazwischengrätschenden Sammer hatten Bremen in der zweiten Halbzeit zum Sieg geschossen. Bremens Erfolg zeigte erneut, daß die alte Sepp-Herberger-Weisheit „Durch Kampf zum Spiel“ so ganz falsch nicht sein kann. Werder, die älteste Mannschaft der Liga, ist auch die langsamste. Beim Wettlauf um den Ball gewinnen höchstens Basler und Reservist Wiedener das eine oder andere Mal. Sammer, Cesar oder Andreas Möller laufen in ganz anderem Tempo und spielen dabei den Ball noch schnell und präzise. Das sah ebenso schön aus wie Werder dabei alt.

Nur genützt hat es den Dortmundern wenig, denn am Ende hatten die Bremer doch den Ball. Dynamik im Zweikampf bei Schulz, Borowka, Votava, Herzog schlug Dortmunder Schnelligkeit. Und als Werder sich genug Zeit gelassen hatte, fielen nicht nur die Tore, sondern lief auch das Spiel. Wer Werder sieht, liebt Freiburg und weiß zugleich: Meister werden die nicht.

Bemerkenswert noch der Schwalbenkönig Andreas Möller. Gnadenlos wurde er 90 Minuten bei jeder Ballberührung ausgepfiffen. Gegen 34.000 Pfiffe hatten die 6.000 Dortmunder Fans keine Chance. Möller spielte dann so, als ob er sich auch noch Dortmunder Pfiffe verdienen wollte. Die Schwalbe überließ er Tanko, der in der Schlußminute sich am Trikot gezupft fühlte und darauf den Elfmeter erflog, den Möller zum 3:1 einschoß. Wann endlich folgt der DFB dem Vorschlag, perforierte Trikots einzuführen, die bei Zupfen und Ziehen reißen. Ein besseres Beweismittel für Schiedsrichter gibt es nicht.

Stuttgart, Uerdingen, Schalke, Karlsruhe, Bayern München, das sind jetzt die Stationen, an denen Werder Bremen Meisterschaftspunkte tanken muß. Sechs Wochen Nervenflattern, aber auch sechs Wochen lang die Chance für Dortmund und Kaiserslautern zu zeigen, daß auch sie den Triumph der Langsamkeit mit der Dynamik des Zweikampfs erfolgreich verbinden können. Dann nämlich wird sich Otto Rehhagel am letzten Spieltag doch noch Gedanken machen müssen, ob er sein nächstes Erfolgsprojekt Bayern München von der Bremer oder der Münchener Trainerbank aus beobachten will.

Borussia Dortmund: Klos - Cesar - Kree, Schmidt - Reuter, Zorc (65. Tanko), Sammer, Möller, Freund - Ricken (70. Tretschok), Riedle

Zuschauer: 39.200; Tore: 1:0 Herzog (54.) 2:0 Basler (59.), 3:0 Basler (86.), 3:1 Möller (90./Foulelfmeter)

gelb-rote Karte: Ramzy (71.); rote Karte: Cesar (85.)

Werder Bremen: Reck - Ramzy - Schulz, Wiedener - Basler, Borowka, Votava, Eilts, Bode - Hobsch (80. Bestschastnich), Herzog