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„Die Juden sind an Typhus gestorben“

Leitende Mitarbeiterin der deutschen Tourismus-Zentrale in den USA verbreitet seit langem die Auschwitz-Leugnung / Trotz deutlicher Hinweise keine Untersuchung  ■ Aus New York Andreas Zumach

Um die Zahl der Deutschlandbesucher aus Nordamerika anzukurbeln, hat die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) acht renommierte ReisejournalistInnen aus den USA und Kanada zu einer „Studienreise auf den Fußspuren Martin Luthers“ unter historisch qualifizierter Leitung eingeladen. Betreut werden die JournalistInnen auf ihrer einwöchigen Promotiontour durch die Bundesrepublik von Elke Berg, der Leiterin der Verkaufsabteilung im New Yorker „German National Tourist Office“, der größten Auslandsfiliale der DZT. Skandalös: Im Nebenberuf verbreitet die gebürtige Wuppertalerin mindestens seit Ende der 80er Jahre Texte, in denenen der Holocaust geleugnet und das Nazi-Regime verharmlost wird. Die 56jährige, seit 1976 bei der DZT beschäftigt, arbeitet dabei gemeinsam mit ihrem heutigen Mann, Friedrich Paul Berg, einem der führenden „Revisionisten“ der USA. Sie veröffentlicht auch unter dem Namen ihres ersten Mannes, Kniepkamp.

Obwohl dem Chef der New Yorker DZT-Filiale, der Frankfurter Zentrale und dem Bundeswirtschaftsministerium, das für die zu 85 Prozent aus Steuermitteln finanzierte DZT zuständig ist, spätestens seit Frühsommer 1994 eindeutige Hinweise auf die Gesinnung von Elke Berg vorliegen, wurde bis heute nichts unternommen. In einem Artikel „Typhus und die Juden“ versuchen Berg/ Kniepkamp wissenschaftlich zu „beweisen“, daß die Juden nicht in Gaskammern der Nazis vernichtet wurden, sondern der Seuche zum Opfer fielen.

Insbesondere die „unhygienischen“ Juden in den Ghettos von Warschau und anderen polnischen Städten seien für ihr Schicksal selbst verantwortlich, weil sie die Waschanweisungen der Deutschen nicht befolgt hätten.

Die beiden behaupten, im Vergleich zur übrigen Bevölkerung seien die Typhusraten unter den Juden „mit 70–80 Prozent, in einigen Gemeinden sogar 95–97 Prozent“ überproportional hoch gewesen. Gaskammern zur Judenvernichtung hätten nicht existiert. Zyklon B sei von den Nazis lediglich eingesetzt worden in halboffenen Tunnelanlagen zur „Desinfektion“ und „Entlausung“ leerer Eisenbahnwaggons, in denen zuvor Juden transportiert wurden. Zum „Beweis“ fügen Berg/Kniepkamp ihrem Artikel eine Übersetzung des Textes „Eine moderne Eisenbahn-Entwesungsanlage“ aus dem deutschen Anzeiger für Schädlingskunde von 1938 an sowie ein Beitrag „Verkehrshygiene und Schädlingsbekämpfung“ aus der Zeitschrift Gesundheits-Ingenieur von 1943.

Veröffentlicht wurde das Machwerk in den einschlägigen US-Publikationen „The Journal of Historic Review“ sowie „Leuchter Report“. Der Report wird herausgegeben von dem „Exekutionsexperten“ Fred Leuchter, der behauptet, der von den Nazis begangene Genozid an den Juden sei technisch unmöglich gewesen.

Deutliche Hinweise auf Bergs Gesinnung enthält eine Klageschrift der DZT-Mitarbeiterin Christ Willibald wegen Rassismus und Sexismus in der New Yorker Filiale. Danach habe sich Elke Berg bewundernd über „Sachkunde“ und „Talent“ eines ehemaligen DZT-Mitarbeiters geäußert, der in den New Yorker Büroetage an der 42. Straße ungehindert neonazistische Hetzschriften verteilte. Zu einer internen Untersuchung kam es dennoch nicht. Statt dessen wurde Elke Berg Anfang des Jahres zur Leiterin der Verkaufsabteilung in New York befördert.

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