piwik no script img

Zwischen Gruft und nomadischem Raum

Das Büro der Zukunft: Wie Dienstleistung künftig von außen aussieht, kann man an den derzeit in Berlins Straßen in größerem Stil entstehenden Neubauten ablesen – wie sie innen organisiert werden soll, zeigt eine Ausstellung  ■ Von Brigitte Werneburg

Das „Büro der Zukunft“ – wer von uns hätte noch nie dieses zwangsläufig ideale Büro in seinem Kopf entworfen? Weil ja jeder mit dem Büro so seine Erfahrungen hat ...

Das „Büro der Zukunft“, verspricht eine Ausstellung, ist derzeit im „Spreebogen Plaza“ der Bredero Deutschland GmbH zu Gast. „12 Konzepte“ stellen zwölf DesignerInnen des Hamburger Arbeitskreises Angewandte Kunst e.V. und das Internationale Design Zentrum Berlin vor. Der Name des Gastgebers ist wohl nur Insidern des Gewerbe-Immobilien- Bereichs bekannt und ebenso das Haus, das durch die Ausstellung mehr Öffentlichkeit erhalten soll.

Leider verstehen deutsche Bauherren und Architekten unter „repräsentativer Architektur“ für die Geschäftswelt ausschließlich die Granitgruft. So jedenfalls wird es in den Straßen der zukünftigen Bürohauptstadt Berlin anschaulich. Daher verläßt der gewöhnliche Jet-set-Manager am Morgen die Gruft des „Esplanade“ – das wahrlich kein „Grand Hotel“ ist, auch wenn es der Name so will –, um in die andere Gruft des „Spreebogen Plaza“-Bürogebäudes einzufahren. Oder in den „Linden-Corso“, die „Alexander Galleries“ oder wie sie alle heißen. Das „Spreebogen Plaza“ ist jedenfalls durch „künstlerisch gestaltete Entlüftungsobjekte in den Innenhöfen“ charakterisiert und durch „hochwertige polierte Granitbeläge auf Fußbodenheizung“ – was irgendwie nach „gestopfter Gänseleber an Blattspinat“ klingt. Kann man nur hoffen, der normale Büromensch kommt nicht völlig durcheinander.

Die Orientierung, wo man denn nun sei – im Hotel, im Büro oder im Fitneßclub – und wer man denn nun wo sei – Gast im Büro oder Angestellter im Hotel –, kann einem im schwer gestylten Ambiente der Plaza-Freizeit-Arbeitswelt heutzutage schon schwerfallen. Und dürfte sich in Zukunft noch weiter verkomplizieren. Nicht (nur) Job-sharing, sondern Desk-sharing könnte eine der Planungsdevisen sein, denn das Rationalisierungspotential im Büro ist gewaltig und dank des Computers und seiner globalen Vernetzung gerade erst entdeckt.

Bei 220 Arbeitstagen im Jahr mit acht Stunden Arbeitszeit steht ein Bürogebäude von potentiell 8.760 jährlichen Nutzungsstunden schlicht 7.000 Stunden leer. Lohnt sich soviel Granit für soviel Leerstand? Soviel Stau auf den Straßen? Soviel Miete?

Um ein „fraktal“ genanntes Büro drehen sich denn auch die Entwürfe der Hamburger Designer. Datentransfer statt Personentransfer ist die Grundlage, auf der geplant wird. Das große, zentrale Büro ist in mehrere dezentrale kleine aufgelöst. Zunächst in das transportable Büro der minimalisierten elektronischen Kommunikationstechniken, das man bei sich trägt und dann in die verschiedenen Docking Stations: zu Hause, im Firmensitz, im Hotel, wo auch immer. Je nach Job werden sich Schwerpunkte ergeben: Peter Schmidts Entwurf antizipiert anonyme Citygebäude, in denen sich Arbeitsteams je nach Bedarf treffen können, um in mobilen Zellen am Computer zu arbeiten. Schmidt, der für die maßstabsverkleinerte Übersetzung monumentaler Architekturdetails in Verpackungen berühmt wurde, ironisiert sein Modell einer pathetischen Rauminszenierung mit Kakteenboards und leeren Wodkaflaschen. Die mobilen Teams könnten sich dort um Andreas Hellers Flipchart „Index“ versammeln, das traditionell mit Papier versehen ist, auf dem man skizziert; das aber auch mit einem Flachbildschirm bestückt ist, über den man vorgefertigte Daten und Planzeichnungen aufrufen kann. „Index“ läßt sich zusammenfalten und als schmale Tasche überall mit hinführen.

Der flache Bildschirm spielt auch beim Kommunikationsflügel „C-Wing“ von Kwod Design die entscheidende Rolle. Über innenseitiges Display, Kamera, Mikrofon und Lautsprecher wird der Kontakt zu fernen Kommunikationspartnern, Datenspeichern und Rechenterminals hergestellt. Der Flügel umgibt den Arbeitsplatz wie ein überdimensioniertes Stirnband und läßt sich in zwei Stellungen arretieren. Herabgefahren schirmt er den Arbeitsplatz gegen die Umgebung ab, heraufgefahren ergibt sich eine offene Situation für Gespräche am und über den Schreibtisch hinweg – der „C-Wing“ ist noch für das Großraumbüro gedacht. Eigentlich das ideale Gerät für Redaktionen, wo der Wechsel von Interaktion und konzentriertem Arbeiten am Text und Bild eine wesentliche Anforderung an die Mitarbeiter ist.

Am anderen Ende, dem vollkommen individualisierten, nomadischen Büro, ist Christian Werners Vorschlag angesiedelt. Werner, der das Neue Berliner Design der 80er Jahre in die Industrieform übertrug, ergänzt bei seinem „Feld-Büro“ den Jägerstock mit ausklappbarem Ledersitz um eine Haltestange für das Notebook und zielt auf das Idyll der ländlichen Wiese. Diese pflanzten Birgit Hachtmann und Christian Pütz gleich um ihren High-tech- Schreibtisch. Ein lederner Fahrradsattel statt fettem Chefsessel und ein kleiner Metallstangenbusch mit aufgespießten persönlichen Erinnerungsstücken verdeutlichen die ironische Absicht der Büro-Installation.

Rolf Heide, Peter Maly, Peter Preller, Jan Wichers, Michael Wagenhöfer und der junge Torsten Neeland, allesamt im Industrie- und Produktdesign für große Firmen etabliert, konzentrieren sich mehr oder minder auf den Schreibtisch und das Büro in der eigenen Wohnung. Denkt Heide an einen isolierten Kubus als eine Art Beichtstuhl, zielen Malys und Wagenhöfers Entwürfe auf die Erweiterung der Büroform hin zur Wohnform. Und Torsten Neeland läßt die Technik von Büro, Arztpraxis und Haushalt in den Wänden verschwinden, damit sich die Architektur der Räume als verbindendes Moment geltend macht. Angela Kurrers sparsamer Vorschlag einer Duftleuchte geht daneben: Die Frau, wie gehabt nicht für die technische Innovation zuständig, sondern für die Atmosphäre, die sie menschenfreundlich arrangiert?

Da die Probleme des Büros nicht nur Technik und Design, sondern auch Bürokratie und Hierarchie betreffen, die stark auf der überkommenen Geschlechterteilung beruhen, beunruhigt das Gefühl, das Büro der Zukunft sei auf dieser Planungsebene überhaupt nicht anvisiert worden.

Bis 7. Juni, Pascalstr. 10, tägl. 11 bis 19 Uhr, Katalog 19,80 DM.

Zur weiteren Lektüre empfohlen: „Citizen Office. Ideen und Notizen zu einer neuen Bürowelt“. Hg. A. v. Vegesack. Steidl Verlag, Göttingen 1994, 28 DM.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen