„Zwei Themen ziehen: Sex und Information“

■ Frank Simon, Projektleiter der „Bundesdatenautobahn“, über das „World Wide Web“ und die Perspektiven des Internet – ab wann wird es wirklich kommerziell genutzt?

Das „World Wide Web“ – benutzerfreundliche Oberfläche und Suchhilfe – hat dem Internet einen entscheidenden Kick gegeben, der auch zur Kommerzialisierung des Netzes führen wird. Der Informatiker Frank Simon war Vorsitzender des Hamburger „Chaos Computer Clubs“ und hat das „Individual Network“ mitbegründet, das Privatleuten in Deutschland erstmals günstige Internet-Zugänge verschaffte. – Heute ist Simon unter anderem „Projektleiter Norddeutschland“ der „Bundesdatenautobahn“ (BDA) – fünf Firmen, die „WWW-Präsentationen“ mit gemeinsamem Konzept vermarkten. Zu den rund 40 BDA-Kunden zählen auch der Spiegel sowie etwa der Mobilfunk-Netzbetreiber „e- plus“ und die Bertelsmann-Tochter „Telemedia“.

taz: Verdient im Moment irgendeiner Ihrer Kunden nennenswertes Geld mit seinen WWWSeiten?

Frank Simon: Die Akzeptanz der Nutzer gegenüber Netzgeschäften ist noch zu gering. Selbst einfache Bestellungen, etwa von Abos oder Versandartikeln, werden eher selten getätigt.

Welche Gründe haben Ihre Kunden also, sich bei der BDA einzumieten? Suchen sie den Hauch der Avantgarde, den ein Unternehmen mit einer Seite im Web umweht?

Es geht unseren Vertragspartnern eher um einen verbesserten Kontakt zu Lesern oder Kunden. Der Spiegel etwa bekommt über unsere interaktiven WWW-Seiten in der Woche rund 300 Briefe. Viele Firmen wollen auch Geld sparen, indem sie via WWW ihren Kundendienst abwickeln und Produktinformationen zugänglich machen.

350.000 Zugriffe registrieren Sie auf Ihren Hauptseiten pro Monat. Ein Großteil des Besuchsverkehrs beruht auf dem „Spiegel“. Bezahlen Sie dem Magazin Geld dafür?

Nein, der Spiegel bezahlt uns für Konzeption und Lagerung seiner Web-Seiten.

Ähnlich wie bei Zeitungen läßt sich Werbeumfeld verkaufen. Achten Sie auf die Corporate identity der BDA?

Ja. Man kann Nutzer mit zwei Themen anlocken: Information und Sex. Wir haben uns für Information entschieden. Beate Uhse etwa hätten wir bei uns nicht akzeptiert, obwohl sie vielleicht noch erheblich mehr Menschen im Netz anzieht als der Spiegel. Aber solche Kundschaft zerstört das Umfeld für alle anderen Anbieter.

Wie und ab wann wird denn im traditionell nichtkommerziellen Internet mit WWW wirklich Geld gemacht?

Das, wofür die Netznutzer bezahlen würden, sind harte Informationen. Die Leute sind gern bereit, etwa für den Abruf eines Artikels einen kleinen Betrag zu investieren – zu klein, als daß so ein Geschäft für eine Kreditkartenfirma interessant wäre. Zur Zeit gibt es deshalb einige Ansätze, elektronisches Geld einzuführen. Ich denke, daß wir Ende des Jahres „Cyberbucks“ haben werden.

Blutet Ihnen angesichts des neuen Netz-Kommerzes, den Sie selbst vorantreiben, nicht Ihr altes Hackerherz?

Ein Hacker ist ein Mensch, der kreativ und experimentell mit Technik umgeht. Für mich ist es darum sehr wohl interessant, die bisher eher freakige Netzwelt und die reale Welt miteinander zu verbinden – ohne daß beide zu viel von ihrer Philosophie aufgeben müssen. Kommerz im Netz gibt es schon seit 20 Jahren. Bleibt nur die Frage, wie man ihn heute gestaltet. Jochen Wegner, Hannover

Siehe auch den Artikel des Autors über das „World Wide Web“ auf den Kulturseiten