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„Zwei Komma vier, ist nicht nichts“

■ Bremer Wahlergebnis besorgt PDS-Spitze Depressionen: Die Geplante Westausdehnung ist ihr gründlich mißlungen

Trotzig ist das Bekenntnis und groß die Enttäuschung. Die krumme Semantik verrät, wie tief die Verunsicherung sitzt. „Wir wollen“, sagte gestern PDS-Parteichef Lothar Bisky in der Berliner Zentrale, „weiterhin gesamtdeutsche Partei sein – und werden.“ Mit diesem Werden dürfte es nach der Bremer Wahl wohl ziemlich schwierig werden. 8.170 Stimmen hat die Partei des Demokratischen Sozialismus in der Hansestadt bekommen, das macht 2,37 Prozent. Und damit ist der erste Versuch der PDS, im Westen Fuß zu fassen, gründlich gescheitert. Als besonders schmerzlich empfinden die Mitglieder des Parteivorstandes, daß das Ergebnis der Landtagswahl sogar noch hinter das der letzten Bundestagswahl gefallen ist. 2,7 Prozent waren es im Oktober 94 noch gewesen. Personell hatte die PDS so ziemlich alles für den Bremer Wahlkampf mobilisiert, im Karl-Liebknecht-Haus in Berlin waren nicht wenige der Meinung, die PDS könne mit ihrer offenen Liste in Bremen den Sprung über die Fünfprozenthürde schaffen. Es sollte eine Art Brückenkopf werden, von dem aus sich die ostdeutsche Partei nach und nach in die westlichen Parlamente vorarbeiten wollte. Lothar Bisky, sichtlich geschafft, sucht Zuflucht im Sarkasmus: „Daß die PDS in den alten Bundesländern ein Fremdkörper ist, das habe ich verstanden.“ Ohne Umschweife gesteht er ein, das Ergebnis sei „sehr enttäuschend, entspricht nicht den Erwartungen“. In Bremen habe sich gezeigt, daß bei Landtagswahlen der landespolitischen Kompetenz eine entscheidende Rolle zukomme. Und daran habe es offenbar gemangelt. Auch Parteivize Wolfgang Gehrcke ist „mehr als enttäuscht“. In Bremen und in Nordrhein-Westfalen sei der „Zug zu Rot-Grün ganz eindeutig“ zum Tragen gekommen. Er verbindet dies mit der Hoffnung, daß die Bündnisgrünen in der Regierungsverantwortung den Platz für eine Oppositionspartei PDS freimachen könnten. Lothar Bisky beteuert, die PDS wolle sich jetzt nicht „im Osten einigeln“. Er tröstet mehr sich selber als die Anwesenden: „2,4 Prozent, das ist nicht nichts.“ Er wendet den Blick nach vorne – zur Landtagswahl in Berlin im Oktober und der in drei Jahren kommenden Bundestagswahl. Dann 2,5 Prozent im Westen – das wäre „sensationell“. In der Zukunft liegt der Trost, im Alltag hilft Ironie. Im Bremen gab es am Wochenende auch Beiratswahlen. Hier war die PDS erfolgreich, wie Parteisprecher Harnisch ironisch anmerkt. Sie stellt fünf Beiräte. Unter anderem in der „östlichen Vorstadt“ und in „Schwachhausen“. Wolfgang Gast, Berlin

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