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Josefine und die Abgas-Affen

■ Wenn die KlassenkameradInnen ihr Butterbrot aus der Alufolie wickeln, rümpft Josefine vom Berliner Greenteam die Nase

Josefine ist ein klein bißchen pummelig und ernst. Wenn sie ihre runde Brille abnimmt, nicht oft, und lächelt, dann sieht sie sehr schalkhaft aus. Sie ist zwölf. Wenn die anderen in ihrer Klasse von fernen Ländern träumen oder Brote aus dem Alupapier wickeln, rümpft sie die Nase. Tausende Liter Kerosin in die Atmosphäre blasen, nur wegen zwei Wochen Urlaub? Warum nehmen die denn keine Butterbrotdosen?

Josefine weiß Bescheid. Sie kennt die Gefahren für die Umwelt. Kerosin frißt Löcher in die Ozonschicht, und was ist mit den Müllbergen? Auch wenn die andern sie komisch angucken, Josefine muß was tun. Seit einem halben Jahr ist sie Mitglied in einem Berliner Greenteam, der Nachwuchsorganisation von Greenpeace. Mehr als 1.500 solcher Gruppen existieren in Deutschland, vor allem im Osten haben sie Konjunktur, allein 1993 entstanden dort mehr als 400 Teams.

Sie nennen sich „Abgas-Affen“, „Ökobesen“ oder „Die toten Dosen“. Die Gruppen haben zwischen fünf und 35 Mitglieder – in der Mehrzahl Mädchen. Erwachsene werden bestenfalls als Berater gebraucht oder als Chauffeure, wenn eine Gruppe zur Demo will. Wie am Samstag in Hannover bei der Anti-Atomdemo. Dafür hat Josefine sogar den Friseurtermin sausen lassen. Sie sind mit einem Trecker durch die Stadt gefahren, Umweltschutz kann lustig sein.

Außerdem entstehen neue Freundschaften. Als Josefine und Isabella am Montag zum wöchentlichen Gruppennachmittag ins Greenpeace-Büro kamen, lag schon ein Brief von den Mädchen aus Hannover auf dem Tisch. Die sind auch in einem Greenteam. Sie werden sich über ihre Aktionen auf dem laufenden halten. In den Sommerferien treffen sie sich in der Nähe von Düsseldorf zu einem Greenteam-Camp rund um das Thema „Wald“.

Am kommenden Sonntag wird sich Josefines Greenteam in Westberlin an der Kottbusser Brücke treffen und mit der Gruppe „Mobil ohne Auto“ den Verkehr lahmlegen. Eine Stadt, in der Busse und Bahnen rund um die Uhr fahren, wo alle Hinterhöfe begrünt sind – „das wäre toll“. Wenn nur endlich solche Typen wie ihr Opa ein Einsehen hätten. Der kachelt mit 200 Sachen über die Autobahn und meint ernsthaft, wer schneller fährt, verbraucht weniger Benzin und spart Zeit. „Aber der ist schon 68 und stirbt bald“, sagt Josefine. Außerdem ist er ein Kriegskind, das viel entbehrt hat. „Da bin ich nicht so streng.“

Eher legt Josefine sich mit den Eltern an. Wenn ihr Vater, der Biologe, beruflich für ein paar Tage nach Afrika fliegt, muß er seiner Tochter eine Ökobilanz vorlegen. Wieviel Nutzen bringt die Mission für die Umwelt? Nein, es ist nicht die Angst vor Zerstörung und Zerfall, die sie treibt, eher Wut, daß die meisten Menschen nicht darüber nachdenken, was sie tun. Egal ob sie ein Auto fahren oder heiraten. „Man muß meinen, etwas verändern zu können.“ Annette Rogalla

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