■ 2000 Anschläge -
: Mit Motschmann... Wwkommt

Begegnet man in diesen Tagen Jörg Kastendiek, dem kulturpolitischen Sprecher der CDU, dann kann einen schon das Mitleid packen: Voll beladen mit Einkaufstüten schleicht er grollend durch die Innenstadt und deckt sich frustkaufhalber mit allerlei Dingen ein, die er wahrscheinlich doch nicht brauchen kann. Da hat er nun jahrelang daran gearbeitet, sich in seiner Partei hochzudienen und sich für einen Regierungsjob zu qualifizieren, und wenn es dann kurz davor ist, schnappt ihm seine Parteikollegin Elisabeth Motschmann das Amt vor der Nase weg. Daß er ob solchen Verdrusses nicht vor dem Spielautomaten landet, hat er wohl nur seinem stark ausgeprägten Über-Ich zu verdanken.

Derweil brütet die designierte Kultur- und Bildungssenatorin an ihren Schwerpunkten für die kommende Legislaturperiode. Hin- und hergerissen zwischen frauenspezifischen Sichtweisen und ihrem stockonservativen Gedankengebäude leuchtet ihr eines sofort ein: die sozio- kulturelle Szene – schon allein dieser Name! – gehört ausgetrocknet.

Mit den Sozis als Koalitionspartner kann dies zwar nicht auf einen Streich gelingen, das ist der gewieften Taktikerin klar, aber die Stehpisser im Lagerhaus oder verkleidete Dildos (Igitt!) in der Schlachthof-Galerie – das geht denn doch zu weit. Zumal sich im Findorffer Kulturzentrum auch noch solch suspekte Figuren wie Wiglaf Droste auskotzen dürfen. Da frau diesen Laden aber nicht von heute auf morgen dichtmachen kann, setzt sie kurzentschlossen eine Hochkommissarin ein, die fürderhin die schlimmsten programmlichen Auswüchse verhindern möge; zudem kürzt sie den Zuschuß für Schlachthof und andere Läden im Rahmen der Sanierungs - Sparmaßnahmen um die Hälfte. Auch das Goethe-Theater kommt beim großen Spar-Kahlschlag nicht ungeschoren davon: Als Vorsitzende des dortigen Aufsichtsrates drückt sie angesichts mehr als bescheidener Besucherzahlen eine 25%ige Etat-Kürzung durch und verknüpft dies mit der Schließung des Tanztheaters. Klaus Pierwoß wird zum monatlichen Spielplan - Rapport verdonnert und Rainer Mammens konservatives Alter Ego als Dauerspion der Kulturbehörde bei den Theaterproben mit einem großzügigen Honorarvertrag ausgestattet. Um nun aber auch etwas Eigenes und Neues vorweisen zu können, läßt sie die weinende Madonnen-Statue aus Italien importieren und vor der Bürgerschaft aufstellen. Das Heimatmuseum wird großzügig saniert und Ernst Mosch zum neuen Chef des Musikfestes berufen. Nur kurz liebäugelt sie damit, Gerd Schwandner als Staatsrat für Kultur im Amt zu belassen, beruft dann aber doch lieber Herrn Mayer-Vorfelder, der gerade seinen Präsidentenposten beim VfB Stuttgart hat räumen müssen. So bleibt's bei der schwäbischen Kontinuität, und es darf vom Aufschwung geträumt werden.

Jürgen Schmitz, ehemals Kulturrat