: Champagnerfrische Jugendlichkeit
■ Der „Bund Freiheit der Wissenschaft“ sieht sich noch immer von Kommunisten umzingelt / Gastredner Arnulf Baring plädierte für „eine FDP rechts von der CDU“
Was tun Leute, die hinter jedem Busch einen Kommunisten vermuten, wenn es keine Kommunisten mehr gibt? Sie haben zwei Möglichkeiten: entweder sie beginnen zu halluzinieren, oder sie lassen von ihrer Jagdleidenschaft ab.
Vor diesem Dilemma sieht sich auch der „Bund Freiheit der Wissenschaft“, dessen Sektion Berlin- Brandenburg sich am Mittwoch abend im früheren Palast-Hotel zur Mitgliederversammlung traf. Wacker hatten die meisten von ihnen schon in der „Notgemeinschaft für eine Freie Universität“ (NoFU) den Stürmen der Zeit getrotzt, standen ganz allein an der Front gegen die Phalanx aus Achtundsechzigern und konservativen Opportunisten, wie der scheidende Vorsitzende Hans-Eberhard Zahn der Versammlung in Erinnerung rief.
Für eine Besinnung auf die „eigentlichen Aufgaben“ plädierte der Leiter des Zehlendorfer „Hauses der Zukunft“ und frühere Dozent am Otto-Suhr-Institut, Roland Hahn. Die Angriffe gegen Ernst Nolte, denen sich inzwischen selbst der Verfassungsschutz angeschlossen habe, und die Anfeindungen gegen die Bevölkerungsforscherin Charlotte Höhn seien „Gefährdungen der Wissenschaft“. Der Lasermediziner Hans- Peter Berlien vom Klinikum Benjamin Franklin diagnostizierte einen „Marsch durch die Institutionen“ seitens der PDS, die er SED nannte.
„Der Kommunismus ist nicht besiegt“, warnte auch Zahn. Das „personelle Erbe aus der verblichenen DDR“ und die „westlichen Mitläufer“ seien allgegenwärtig. Doch hätten sich diese Mißstände nicht herumgesprochen. „Verbände wie der unsere haben etwas Querulatorisches.“ Allein der Altphilologe Hans-Joachim Geisler plädierte dafür, sich auch „um Fragen zu kümmern, die normale Mitglieder der Hochschule bewegen“.
Die „Verjüngung“ des Verbands, über deren Notwendigkeit sich die ergrauten Herren weitgehend einig waren, sollte durch die Wahl der Chemikerin Brigitte Pötter zur neuen Vorsitzenden symbolisiert werden. Als Inkarnation „champagnerfrischer“ Jugendlichkeit präsentierte Zahn den 62jährigen Juristen und Geschichtsprofessor Arnulf Baring.
„Deutschland vor neuen Aufgaben“ hieß das Plauderstündchen, das Baring seinen „lieben Freunden“ vom Bund präsentierte, dessen Mitglied er aber nie gewesen sei. Schärfer noch als in seinem 1991 erschienenen Buch „Deutschland, was nun?“ diagnostizierte er die „tiefe, aber leider Gottes schleichende Krise unseres Landes“. Im Bildungswesen sei „das Debakel, das wir vor mehr als einem Vierteljahrhundert erlebt haben, folgenlos geblieben“, lamentierte Baring, „man kann nur mit Trauer an der Friedrich-Wilhelms-Universität vorübergehen“.
Um den Wohlfahrtsstaat erhalten zu können, hält Baring neben verstärkter Familienförderung eine „vernünftige Einwanderungspolitik“ für nötig, die zwischen „leistungsfähigen und leistungsunfähigen“ Immigranten unterscheide. Leider werde das in einer „von modischen Trends beherrschten Medienlandschaft“ als Rassismus abgetan, sagte er unter heftigem Applaus. Außenpolitisch konzentrierte sich Baring auf das Verhältnis zu Osteuropa. Seine Bemerkung, von Berlin aus sei Polen in weniger als einer Stunde zu erreichen, sorgte allerdings für Unruhe im Saal. In dem Gemurmel war das Wort „Schlesien“ deutlich zu vernehmen.
Auch in seiner Einschätzung der PDS mochte Baring die starken Töne seiner Gastgeber nicht teilen. Diese werde sich nicht zu einer neuen SED, sondern eher zu einer „linken Variante der Sozialdemokratie“ entwickeln. Große Hoffnungen setzt Arnulf Baring dagegen in eine andere Partei. „Die FDP müßte rechts von der CDU tätig werden, wo sie auch hingehört“, folgerte er aus deren jüngsten Wahlschlappen. Die Zukunft gehöre deshalb der Berliner Parteirechten um Manfred Kittlaus und Alexander von Stahl.
Im Zusammenhang mit der „Spandauer Erklärung“ und dem Appell „Gegen das Vergessen“ konnte Baring der vermeintlichen linken Medienmacht auch einen positiven Aspekt abgewinnen. Immerhin sei deren „Gegenpropaganda eine Möglichkeit, diese Dinge in der Öffentlichkeit bekanntzumachen“. Was wir hiermit wieder einmal getan haben. Ralph Bollmann
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