: Kanzleramt detailliert unterrichtet
■ Ein BND-Vermerk belegt: Der Geheimdienstkoordinator Schmidbauer war vorab über den Scheinaufkauf von Plutonium bestens informiert / Halbherziges Dementi aus dem Bonner Kanzleramt
Berlin (taz) – Das Dementi ist keines: Der Chef des Bundeskanzleramtes, Friedrich Bohl (CDU), wies gestern einen Bericht der Süddeutschen Zeitung zurück, wonach der Kanzler selbst über Details des Plutoniumschmuggels vom August vergangenen Jahres vorab unterrichtet war. Das hatte das Blatt aber gar nicht behauptet. Nach dem Zeitungsbericht hat der Bonner Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer (CDU) in der Geheimsitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission am 20. April nur eingeräumt, er habe den Kanzler Kohl darüber informiert, daß sich „etwas anbahne“. Zum Kernvorwurf, daß Schmidbauer über den bevorstehenden Scheinaufkauf von Plutonium in allen Einzelheiten unterrichtet war, äußerte sich der Kanzleramtsminister aber gestern nicht.
Der Geheimdienstkoordinator ist der SZ zufolge bereits am 26. Juli, also rund drei Wochen vor dem dubiosen Transport von über 360 Gramm hochgiftigem Plutonium an Bord einer Lufthansa-Maschine von Moskau nach München, vom Bundesnachrichtendienst (BND) schriftlich und mündlich detailliert über das Vorhaben in Kenntnis gesetzt worden. Schmidbauer sei in einem BND- Vermerk auch über die Bemühungen des Bundesnachrichtendienstes verständigt worden, weitere elf Kilogramm des Bombenstoffes Plutonium in die Bundesrepublik zu bringen, die in Kiew vermutet wurden. Eine Menge, die nach Expertenschätzungen zum Bau von drei Atombomben ausreicht.
Brisant ist an diesem Vermerk, daß den BND-Mitarbeitern die Illegalität einer solchen Handlung bewußt gewesen sein muß. In dem Papier wurde festgehalten, das Vorhaben scheine „politisch kaum realisierbar, da hierbei auf Antrieb des LKA [des bayerischen Landeskriminalamtes, d. Red.], beziehungsweise seines verdeckten Ermittlers, gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen werde“.
Bereits für den 26. Juli, also den Tag, an dem Schmidbauer unterrichtet wurde, kündigte der BND in dem Vermerk den Scheinaufkauf von Plutonium in München an. Wie detailliert das Kanzleramt über den bevorstehenden Deal unterrichtet war, geht aus Punkt 2.6 des Papiers hervor. Dort heißt es, die zuständige Staatsanwaltschaft München habe dem BND-Agenten „Rafa“, der das Geschäft eingefädelt hatte, „volle Vertraulichkeit“ zugesichert.
Friedrich Bohl empörte sich gestern über den Zeitungsbericht mit den Worten „Skandal“, „Fehl- und Falschinformationen“. Leicht ließe sich der Wahrheitsgehalt eruieren. Der CDU-Mann bräuchte nur dafür Sorge zu tragen, daß das Wortprotokoll der geheimen PKK-Sitzung vom 20. April veröffentlich wird. Er hätte nichts zu verlieren, wenn seine Wertung zutrifft, wonach der Wahrheitsgehalt des Berichts „in sich zusammengefallen“ ist. Wolfgang Gast
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen