: Grüner Besuch ganz ohne Skandale
Zum wiederholten Mal besuchen Grüne Israel / Beide Seiten sind bemüht, Fehler aus früheren Zeiten zu vermeiden / Auf dem Programm steht auch ein Besuch bei Jassir Arafat ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Unter der Leitung von Joschka Fischer begann gestern ein erster offizieller Besuch einer parlamentarischen Delegation von Bündnis 90/Die Grünen in Israel. Unter den Delegationsmitgliedern sind Fraktionssprecherin Kerstin Müller, Waltraut Schoppe, Christian Sterzing und Angelika Köster-Lossack.
Treffen mit Überlebenden des Holocaust
Das auf drei Tage anberaumte Besuchsprogramm begann mit einer Kranzniederlegung in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vaschem. Nach einer Besichtigung der Gedenkstätte und einem Gespräch mit Yad-Vaschem- Vorstandsmitgliedern – darunter der aus Deutschland stammende ehemalige israelische Innenminister Josef Burg – kam es auch zu einer Zusammenkunft mit Vertretern des Dachverbandes der Überlebenden des Holocaust. Später gaben die Gäste aus Bonn ein Mittagessen für israelische Persönlichkeiten deutscher Herkunft.
Am Nachmittag trafen die deutschen ParlamentarierInnen im ostjerusalemer „American Colony Hotel“ zu einem Gespräch mit Repräsentanten von „B'Tselem“, der israelischen Menschenrechtsorganisation für die besetzten Gebiete, und der palästinensischen Organisation „Al-Haq“ zusammen.
Im Anschluß daran trafen sie am gleichen Ort führende Palästinenser aus Jerusalem und der Westbank, darunter den Jeruslamer PLO-Vertreter Faisal Husseini. Bis zum Mittag war das Zustandekommen dieses Treffens unklar gewesen. Die Palästinenser hatten verlangt, daß die Grünen sie im Orient-Haus besuchen sollen, dem Sitz der PLO in Jerusalem. Dies wäre von der israelischen Regierung jedoch als Affront betrachtet worden. Einige der Delegationsmitglieder nahmen später an einem Abendessen auf Einladung des Israel Council on Foreign Relations teil. Fischer hielt dort einen Vortrag zur aktuellen deutschen Außenpolitik aus der Sicht seiner Partei.
Andere Delegationsmitglieder beteiligten sich an einem Abendessen mit Azmi Bishara von der Bir Zeit Universität und Suha Hindiyeh vom „Womans Studies Center“, das von der Grünenstiftung „Buntstift“ unterstützt wird.
Vor Beginn ihres offiziellen Programms wurde die Delegation bei ihrer Ankunft am Freitag abend vom Deutschen Botschafter in Israel, Franz Bertele, begrüßt. Am Samstag besuchten die Grünen in Tel Aviv ein Altersheim für Einwanderer aus Mitteleuropa. Am Abend waren sie Gäste des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignaz Bubis, im Sheraton Hotel in Tel Aviv. Heute werden die Mitglieder der Delegation aus Bonn zu einem Gespräch mit dem neuen Vorsitzenden der Jewish Agency und Knessetabgeordneten der Arbeitspartei Avram Burg zusammenkommen. In der Knesset selbst werden sie vom Knessetvorsitzenden Schewach Weiss und dann vom Likud Oppositionsführer Benjamin Netanjahu empfangen.
Die Delegation trifft sich auch mit Mitgliedern der Merez-Fraktion, dem linkeren Partner in der Regierungskoalition. Außerdem konferiert sie mit Mitgliedern der israelisch-deutschen Parlamentariergruppe.
Kein Besuch im Jerusalemer Orient-Haus
Im Anschluß werden die Delegationsteilnehmer von Außenminister Schimon Peres und Ministerpräsident Jitzhak Rabin empfangen.
Am Dienstag ist dann ein Treffen mit dem Chef der palästinensischen Autonomiebehörden, Jassir Arafat in Gaza geplant. Der Charakter des sorgfältig vorbereiteten Besuchs der Grünen in Israel unterscheidet sich in fast jeder Hinsicht von den verschiedenen vergangenen Reisen grüner Politiker nach Jerusalem.
Im Unterschied zu früheren Gelegenheiten wird diesmal sowohl von deutscher als auch von israelischer Seite auf strenges Einhalten des Protokolls und eines gemeinsam ausgearbeiteten Programms geachtet.
Mit Sicherheit ist zu erwarten, daß es diesmal zu keinen peinlichen Konfliktsituationen und öffentlichen Skandalen kommt, die es bei früheren Aufenthalten grüner Parteigruppen mit fast sprichwörtlicher Regelmäßigkeit gegeben hat. Seit den zurückliegenden Skandalen hat sich die politische Landschaft sowohl in Israel als auch in Deutschland gründlich geändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen