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Wut gegen Rassisten und Polizei

Zwei Wochen nach dem Mord an einem tunesischstämmigen Jugendlichen im französischen Le Havre kommt es aus Empörung über die langsamen Ermittlungen zu Straßenschlachten  ■ Von Dorothea Hahn

Paris (taz) – Seit über zwei Wochen ist Imad Bouhoud tot; wer den neunzehnjährigen Franzosen tunesischer Abstammung ermordet hat, wollen nun Jugendliche in seiner französischen Heimatstadt Le Havre wissen, die in der Nacht zum Dienstag mit Molotowcocktails und Steinen auf die Straße gingen. Rund hundert von ihnen lieferten sich bis nach Mitternacht Straßenschlachten mit der Polizei, der sie vorwerfen, die Ermittlungen zu verschleppen. Eine von Skinheads frequentierte Bar wurde vollständig demoliert, zahlreiche Telefonzellen, Autos und Schaufensterscheiben gingen zu Bruch. Zehn Jugendliche wurden festgenommen.

Die Leiche von Imad Bouhoud war am 7. Mai aus einem Hafenbecken in Le Havre gefischt worden. Inzwischen hat die Polizei einen Skinhead gefunden, der aussagt, dabeigewesen zu sein, als ein zweiter Skinhead Imad Bouhoud ins Wasser stieß. Der mutmaßliche Mörder ist auf der Flucht.

Die jetzigen Auseinandersetzungen begannen am Montag abend vor dem Skinhead-Treff in der kommunistisch regierten französischen Hafenstadt. Später zogen die aufgebrachten Jugendlichen – zumeist junge Franzosen, die aus dem Maghreb stammen – zu einem Parteilokal der rechtsextremen Front National, deren Kandidat Jean-Marie Le Pen beim ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen in Le Havre den zweiten Platz eroberte. Die Jugendlichen machen die ausländerfeindliche Hetze der Front National für das Verbrechen an Imad Bouhoud verantwortlich. Erst nach Mitternach – und nachdem prominente Personen der zweiten Immigranten-Generation vermittelt hatten – endeten die Straßenschlachten.

Nur sechs Tage vor dem Leichenfund in Le Havre waren kahlgeschorene junge Männer aus einer Demonstration der Front National in Paris ausgeschert und hatten ein vergleichbares Verbrechen begangen: Am Fuß des Louvre stießen sie einen Marokkaner in die Seine, wo er ertrank. Die Front National distanzierte sich sofort von dem Verbrechen.

Die antirassistische Organisation MRAP zeigte Verständnis für die Wut der Jugendlichen. „Während immer mehr Immigranten Opfer der Gewalt von Skinheads werden, leugnet die Justiz den rassistischen Charakter dieser Angriffe“, erklärte sie gestern in einem Kommuniqué. Heute will MRAP in Le Havre einen Schweigemarsch für den ermordeten Imad Bouhoud veranstalten. Die aus Tunesien immigrierte Mutter des Toten rief gestern dazu auf, neue Gewalt zu vermeiden. „Ich will nicht noch ein zweites Kind verlieren“, sagte sie.

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